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sondern durch die souveränen Monarchen unter Führung Preußens, also „von oben“. Daher vollzog er einen taktischen Kurswechsel gegenüber der nationalen Bewegung in Deutschland: Da er sie weder eindämmen noch ignorieren konnte, hörte er auf, sie zu bekämpfen, und versuchte, sie für seine Politik nutzbar zu machen. Der Konfl ikt mit Dänemark wegen Schleswig und Holstein und die ständigen Auseinandersetzungen mit Frankreich, die schließlich – von Bismarck provoziert – in den Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 mündeten, mobilisierten und begeisterten die nationale Bewegung. Und da Preußen in beiden Kriegen siegte, akzeptierten es viele national Gesinnte als „notwendiges Übel“, dass im Januar 1871 das Deutsche Reich ohne das 1866 im Deutsch-Deutschen Krieg besiegte Österreich gegründet wurde. Die deutsche Nationalbewegung begrüßte die Reichsgründung begeistert als späte Verwirklichung nationaler Visionen. Sie sah darüber hinweg, dass dieses Reich nicht durch das deutsche Volk, sondern durch die Monarchen und Freien Städte gegründet worden war und dass es mit den deutschsprachigen Österreichern einen erheblichen Teil der deutschen Sprachnation ausgrenzte, während es andererseits französische, dänische und polnische Minderheiten einschloss. Die staatliche Einheit wurde über innerstaatliche Freiheit und der mächtige Nationalstaat über die Interessen von nationalen Minderheiten gestellt. Man nahm zudem in Kauf, dass die Gründung des Reiches – vor allem durch die Annexion von Elsass und Lothringen – die gespannten Beziehungen zum Nachbarn Frankreich zur offenen Feindschaft vertiefte (u M6, M7). Die Einverleibung Elsass-Lothringens wurde in Deutschland in Erinnerung an das mittelalterliche Reich als Rückkehr eines „deutschen“ Gebietes verstanden. Doch stand dies dem nationalen Zugehörigkeitsbewusstsein in den Gebieten selbst entgegen. So zeigen Vorgeschichte und Gründung des Deutschen Reiches exemplarisch die Probleme der Nationalstaatsbildung im 19. Jahrhundert. i „Der schwarze Fleck.“ Gemälde von Albert Bettannier, um 1887. Die Annexion Elsass-Lothringens war für die „Grande Nation“ Frankreich eine schwerwiegende Beleidigung. Von Kindesbeinen an wurde den Franzosen der Revanche-Gedanke eingeprägt, wie hier im Schulunterricht. 71Moderne Nationsvorstellungen seit der Französischen Revolution Nu r z u Pr üf z ec ke n Ei ge nt um d es C .C .B uc hn er V er la gs | |
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