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99 5 10 15 20 25 30 35 5 10 Q2 Grausamer Alltag Heinz S., ein Sinto aus Marburg, erinnert sich 1995 an seine Zeit in den Vernichtungslagern: In Birkenau! Da wurden die Waggons aufgemacht, und die Posten standen schon bereit. Männer links, Frauen rechts. Waggon für Waggon wurde aufgemacht. Dann hieß es: „Die erste Hundertschaft rein!“ Im Block haben sie uns die Nummern eintätowiert. Das Erste, was mir aufgefallen ist, war der Gestank. Ein Gestank! Sie haben uns die Haare abrasiert, Männern wie Frauen. Dann wurden wir eingeteilt, zum Arbeiten. […] Wir mussten die Loren zum Krematorium schieben. Asche und Knochen aus den Krematorien mussten wir in die Loren schaufeln und in den Wald bringen. Der Inhalt wurde da verstreut. Jetzt wusste ich, was Auschwitz war. […] Oben, im dritten Stock vielleicht, hat der Lagerkommandant gestanden und hat aufgepasst, ob jemand nicht mehr konnte. Wer mal abgesetzt hat, Kopfschuss. […] Ich war mit meinem Bruder zusammen. Der war ein Jahr älter als ich und hat in einem Magazin gearbeitet. […] Da hat er sich ein kleines Messer eingesteckt, und er wurde verraten. Ich habe es nicht gewusst. Beim Appell […] musste er vorkommen. […] Wir alle mussten zusehen, ich musste zusehen. Er wurde auf dem HippBock angeschnallt, links und rechts. Die Beine wurden festgemacht. Auf der einen Seite ein Kapo1, und auf der anderen Seite ein Kapo. Der Ochsenziemer2, unten so dick wie ein Finger, wurde in Wasser eingetaucht. Die ersten fünf oder sechs Schläge, die sie da gegeben haben, da habe ich gedacht, es reißt mir alles raus. Da hat er nach mir geschrien und nachher: „Mama, Mama.“ Warum? Weswegen? Fünfundzwanzig Schläge hat er gekriegt. Nachher haben sie ihn in den Krankenblock gebracht. Wer länger als acht Tage blieb, wurde vergast. Zitiert nach: Udo Engbring-Romang: Marburg. Auschwitz. Zur Verfolgung der Sinti in Marburg und Umgebung, Marburg 1998, S. 121 ff. 1 Kapo: Häftling, der als Aufseher eingesetzt ist 2 Ochsenziemer: schwere Schlagwaffe, die aus einem getrockneten Bullenpenis hergestellt wird Q4 Über die SS-„Moral“ Der Reichsführer-SS Heinrich Himmler, einer der Hauptverantwortlichen des Holocaust, spricht am 4. Oktober 1943 vor SS-Offi zieren: Ein Grundsatz muss für den SS-Mann absolut gelten: Ehrlich, anständig, treu und kameradschaftlich haben wir zu Angehörigen unseres eigenen Blutes zu sein und zu sonst niemandem. […] Von euch werden die meisten wissen, was es heißt, wenn 100 Leichen beisammen liegen, wenn 500 daliegen oder wenn 1 000 daliegen. Dies durchgehalten zu haben und dabei […] anständig geblieben zu sein, das hat uns hart gemacht. Dies ist ein niemals geschriebenes und niemals zu schreibendes Ruhmesblatt unserer Geschichte. Wolfgang Michalka (Hrsg.): Deutsche Geschichte 1933-1945, Frankfurt a. M. 1993, S. 277 f. 1. Beschreibe die Gesichter der Deportierten in Q1. 2. Sucht Gründe dafür, weshalb Juden den Begriff „Shoa“ der Bezeichnung „Holocaust“ vorziehen (Begriffserklärungen). 3. Nenne die Gründe, weshalb die Vernichtungslager gerade in Polen oder in den besetzten sowjetischen Gebieten errichtet wurden (Verfassertext). 4. Beschreibe mithilfe von Q2 den Alltag im KZ Auschwitz. 5. Recherchiert mithilfe des Internettipps den Grundriss des Vernichtungslagers Auschwitz. Besprecht in der Klasse, welche Funktion die einzelnen Teile hatten. 6. Erkläre, weshalb die Parole „Arbeit macht frei“ für die KZ-Häftlinge zynisch klingen musste (Q3). 7. Begründet, warum die Aussagen Himmlers die nationalsozialistische Ideologie widerspiegeln (Q4). 8. Ist es deiner Ansicht nach sinnvoll und erforderlich, dass es in Deutschland unter Strafe steht, den Holocaust zu leugnen? Q3 Das Tor im Stammlager Auschwitz Fotografi e aus dem Jahre 1990. Lesetipps: Gudrun Pausewang: Reise im August, Ravensburg 91997 (Der erschütternde Roman erzählt von dem Transport einer elfjährigen Jüdin ins KZ, der für sie das Ende ihrer Kindheit bedeutet.) Walther Petri (Hrsg.): Das Tagebuch des Dawid Rubinowicz, Weinheim 1988 (Tagebuch eines polnischen Jugendlichen, der als Jude unter der deutschen Besatzungsmacht zu leiden hat. Er muss mit seiner Familie im Ghetto leben und sein Vater wird zur Zwangsarbeit herangezogen. Im Juni 1942 bricht das Tagebuch mitten im Satz ab.) Carlo Ross: Im Vorhof der Hölle, München 1994 (Roman über den jüdischen Jungen David, der im KZ Theresienstadt nur einen Wunsch hat: zu überleben) Internettipps: http://de.wikipedia.org/wiki/ KZ_Auschwitz-Birkenau www.auschwitz.org.pl www.zukunft-brauchterinnerung.de 30003_1_1_2015_060_123_kap02.indd 99 05.02.15 07:54 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C . B uc hn er V rla gs | |
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