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103 5 10 15 20 5 10 15 Q2 Der „Fall Karl XXX“ Am 16. Februar 1942 stirbt der zehnjährige Karl XXX, der in der Landesheilanstalt in Stadtroda stationär betreut worden ist. Daraufhin schreibt die Kreisfürsorgerin des Jugendamtes Saalfeld dem verantwortlichen Direktor der Anstalt, Dr. Gerhard Kloos, am 21. Februar 1942: Ich frage an, warum mir die ernste Erkrankung des Kindes sowie sein Tod nicht mitgeteilt wurden. Ich bitte, mir sofort Folgendes zu beantworten: 1. Seit wann ist Karl XXX erkrankt gewesen? 2. Welche Erkrankung lag vor? 3. Was hat den Tod herbeigeführt? [...] Es berührt das Jugendamt eigentümlich und es ist uns unverständlich, dass Ihre Anstalt diesen Fall nicht ordnungsgemäß erledigt hat. Dr. Gerhard Kloos antwortet am 23. Februar 1942. Hier ein Auszug aus dem Schreiben: Während an den Fronten rassisch hochwertigste deutsche Männer ihr Leben opfern, ohne dass viel Aufhebens gemacht wird, gerät in der Heimat ein Jugendamt darüber in Erregung, dass ein bildungsunfähiges, angeboren schwachsinniges Kind trunksüchtiger, nach dortigem Urteil sozial minderwertiger und menschenunwürdig verschmutzter Eltern in einer Anstalt erkrankt und stirbt, ohne dass das Jugendamt sofort unmittelbar mit der Angelegenheit befasst wurde. Mir geht, offen gesagt, auch weltanschaulich das Verständnis für eine solche Einstellung ab. Q3 Zwangssterilisation Eine junge Frau soll gegen ihren Willen sterilisiert werden. Sie legt dagegen Beschwerde ein. Das Erbgesundheitsobergericht in Jena lehnt diese ab – mit folgender Begründung: XXX ist in der Schule nicht recht mitgekommen. Sie hat auch bei Begabungsprüfungen durch den Amtsarzt, das Erbgesundheitsgericht und den Senat starke Lücken gezeigt. Ihr Erfahrungswissen ist ungenügend. Außerhalb des kleinen Einmaleins versagte sie beim Rechnen fast völlig. Lesen und Schreiben geht zwar besser, doch war sie nicht imstande, schwierigere Worte wie z. B. Elektrizitätswerk zu schreiben. In ihrer Arbeitsstelle scheint sie sich zu bewähren, doch verrichtet sie nur einfache Gartenarbeiten, die keine besonderen geistigen Fähigkeiten voraussetzen. Im Ganzen bietet sie das Bild eines zwar leichten, aber doch einwandfreien Schwachsinns. Mit Rücksicht auf ihre schwere erbliche Belastung hält das Gericht für unabweislich, ihre Unfruchtbarmachung durchzuführen. Erster und zweiter Text zitiert nach: Susanne Zimmermann, Überweisung in den Tod. Nationalsozialistische „Kindereuthanasie“ in Thüringen, Erfurt 2005, S. 79 81 (stark gekürzt); dritter Text: ebd. S, 43 f. 1. Erkläre, warum das NS-Regime „erbkranken“ Menschen das Recht auf Leben verweigerte. 2. Beschreibe die Haltung von Dr. Kloos (Q2). 3. Bewerte die Begründung des Gerichts in Q3. 4. Recherchiere, wie heute in Thüringen an die Opfer der „Kindereuthanasie“ erinnert wird. Q1 Unterrichtsmaterial In der Weltanschauung der Nationalsozialisten hatten Schwache und Kranke keinen Platz. Dieses Material nutzten sie in ihren politischen Schulungen. 1 Beschreibe, wie versucht wird, die Ablehnung „erbkranker“ Menschen zu fördern. 30003_1_1_2015_060_123_kap02.indd 103 05.02.15 07:54 Nu r z u Pr üf zw ck en Ei ge nt um d s C .C . B uc h er V er la gs | |
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