Volltext anzeigen | |
wendet sich an den Heiligen Bernhard, der seinerseits zu ihm hinaufschaut. Eine „Heilige Unterhaltung“? Maria Magdalena auf der anderen Seite hat die Hände zum Gebet gefaltet und blickt voller Hingabe auf die Gottesmutter. Diese wiederum hält die Augenlider gesenkt und verkörpert mehr innere Einkehr und göttliche Demut als Dialogbereitschaft. Gleiches Thema, ähnliche Komposition und doch zwei völlig verschiedene Bilder. Warum? Francesco Botticini arrangierte Figuren und Farben zu einem ausgewogenen Miteinander, das in der Bildmitte seinen Höhepunkt hat. Die Blicke der Engelsköpfe, die Gesten der Figuren und die symmetrische Anordnung der Farben lenken die Aufmerksamkeit auf Maria und das Kind. In ihrer Statik liegt auch ihre visionäre Präsenz. Dabei werden die Anmut Mariens, das segnende Kind, die Strahlen des Lichtkranzes und der kostbare Vorhangstoff zu Würdeformeln, die den Betrachter auf Distanz halten, ihn zum Zuschauer der Vision werden lassen. Raffaels Vision Was bei Botticini durch die symmetrische Anlage von Komposition, Farbe und Motiven zur Vision der Heiligen erstarrt, gerät bei Raffael in Bewegung. Der Maler setzt helle gegen dunkle Farben, schickt Blicke hin und her, malt himmlische und irdische Engel, kontrastiert Jugend gegen Alter, stellt tiefe Demut glühender Leidenschaft gegenüber und rückt die Figuren aus einer Ebene. Gleichzeitig arrangiert Raffael die Kontraste zu perfekter Harmonie: Es ist keine Figur zu viel oder zu wenig im Bild, keine Farbe, die dominiert, kein Motiv, das stört. Aber die Kontraste schaffen lebendige Gegenwart. Dazu gehört auch, dass in Raffaels Version weder alle Blicke auf Maria gerichtet sind noch Maria den einzigen auf sie gerichteten Blick erwidert. Es entsteht kein Dialog im Bild. Stattdessen der ahnungsvolle Blick in die Ferne. Sieht Maria den Kreuzestod ihres Sohnes voraus? Maria schreitet vorwärts, die Vision wird lebendig und kommt dem Betrachter entgegen. Und der Betrachter? Nun kommen die beiden Engel an der Brüstung ins Spiel. Sie haben ihren Platz am Himmel mit der Balustrade* vertauscht, sie tummeln sich an der Schnittstelle zwischen Bildund Betrachterraum und machen die Illusion perfekt: eine himmlische Vision mit irdischen Zuschauern? 1.1 Raffael gilt als Meister der Harmonie. Benennen Sie die bildnerischen Mittel, die er in Abbildung 1 einsetzte, um diesen Eindruck zu erzielen. 1.2 Fertigen Sie dazu eine Analyseskizze an. 2 Vergleichen Sie die Vorhangmotive bei Botticini (Abb. 2) und Raffael (Abb. 1) und erklären Sie ihre Rolle für die Bildaussage. 3 Stellen Sie dar, welche inhaltliche Funktion die beiden Engel an der Balustrade in Raffaels Gemälde (Abb. 1) erfüllen? 4 Vergleichen Sie die Bilder Raffaels und Botticinis im Hinblick auf Form, Farbe und Komposition. Fertigen Sie dafür eine Skizze an. 2 Francesco Botticini: Madonna mit den Heiligen, um 1485 Öl auf Holz, 188 x 177 cm, Musée du Louvre, Paris N u r zu P rü fz w e c k e n E ig e tu m d e s C .C .B u c h n e r V e rl a g s | |
![]() « | ![]() » |
» Zur Flash-Version des Livebooks |