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biblischen Ereignissen der Kreuzabnahme, Grab legung und Beweinung oder dem reinen Andachtsbild bewegt. Die Menge der Figuren lassen auf ein Ereignis schließen, aber es fehlen in dem Gemälde die historischen Verweise auf Kreuz, Leiter oder Grab, auf Vergangenheit und Zukunft, im Sinne einer Erzählung. Entrückte Wirklichkeit – erzählerische Präsenz: Pontormo und Raffael Die Grablegung von Raffael (1483 1520) ist eindeutiger. Sie zeigt im Hintergrund die Leiter, die zur Kreuzabnahme gedient hat (Abb. 2). Im Vordergrund tragen die Trauernden schwer an dem Leichnam Christi, sie sind auf dem Weg zum Felsengrab, das am linken Bildrand auftaucht. Zeit und Ort sind in der Version Raffaels bestimmt. Der Maler Pontormo lässt seine Betrachter aber nicht nur mit dem Bildthema im Ungewissen. Ob es um den Raum geht, die Figur, die Farbe oder den Inhalt, er spielt mit den Sehgewohnheiten des Betrachters: Mit dem Fehlen der landschaftlichen Bezüge geht auch ein Mangel an Raumtiefe und Schwerkraft einher. Die vorderen Figuren berühren gerade noch mit Zehenspitzen den Boden, sie scheinen das Gewicht des Leichnams kaum zu spüren, die hinteren Figuren haben jede Bodenhaftung verloren, ihre Körper schweben im Raum. Im Vergleich dazu drücken die Träger in Raffaels Bild ihre Füße fest in den Boden und ihre Muskeln sind gespannt, weil sie das Gewicht des Leichnams stemmen müssen. Zu dem Eindruck der Schwerelosigkeit in Pontormos Tafelbild* tragen auch die überlängten Proportionen der Figuren bei, ihre alterslosen Gesichter und zeitlosen Gewänder. Nicht einmal einen qualitativen Unterschied zwischen Stoff und Haut macht Pontormo. Genauso wenig wie er sich um eine räumliche oder atmosphärische Lichtführung oder ein natürliches Licht bemüht. Was bleibt, ist der Blick auf ein bizarres Bild, in dem sich die Figuren wie auf einer Bühne bewegen, die der Maler bespielt – fernab der Realität. Manierismus* Warum entrückte Pontormo sein Tafelbild und sein Thema der zeitgenössischen Bilderfahrung? Mit der Malerei des Jacopo Pontormo kündigte sich im 16. Jahrhundert ein Umbruch in der Kunst an, der im 18. Jahrhundert abfällig als „manieristisch“ (künstlich) bezeichnet wurde. Die Maler, Bildhauer und Architekten des 16. Jahrhunderts konnten sich mühelos der Errungenschaften des 15. Jahrhunderts bedienen. Aus der Auseinandersetzung mit der Kunst eines Michelangelo, Raffael oder Leonardo entstanden neue Erfi ndungen, die die alten Normen refl ektierten, neu interpretierten, steigerten oder negierten. Was sich beispielhaft aus Pontormos Grabtragung heraus2 Raffael (eigtl. Raffaello Santi da Urbino): Grablegung Christi (Mitteltafel der Pala Baglioni), 1507 Öl auf Holz, 184 x 174 cm, Galleria Borghese, Rom N u r zu P rü fz w e c k e n E ig e n tu m d e s C .C .B u c h n e r V e rl a g s | |
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