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1 Veranschaulichen Sie in einem Schema die bildlichen Bezüge der Fassade (Abb. 3). 2 Analysieren Sie im mittleren Register die Scheidung der Guten und der Bösen (Abb. 3). Wie werden sie jeweils charakterisiert (Gesichter, Haltung, Bewegung, Lage)? Welche Aufgabe übernehmen die Engel. 3 Zeigen Sie zusammenfassend formale wie inhaltliche Merkmale des Mittelportals auf, die es als „Wegweiser zum Paradies“ kenntlich macht (Abb. 1 und 2). Christus und eine Fratze des Bösen gegeneinander abgewogen: Die Waage neigt sich nach links – das Lamm überwiegt das Böse. Unterhalb des Erzengels spielt sich eine ergreifende Szene ab: Eine bekrönte Personifi kation der Kirche (Ecclesia) und die am Spitzhut zu erkennende Personifi kation des Judentums (Synagoge) nehmen Einfl uss auf die Abwägung. Ein Teufel versucht im Auftrag des Juden mit unfairen Mitteln die Schale mit der Fratze herunterzuziehen. Aber er kann nichts ausrichten gegen die gewichtigen Argumente der Kirche, die ihrerseits auf die Heilige Schrift in Form einer Banderole verweist. Demonstrativ zeigt auch der Erzengel auf die siegreiche Schale des Lammes und der Kirche. Hier wird veranschaulicht, wie die Macht der Kirche über die verführerische Kraft von Judentum und Teufel dominiert. In der mittleren Zone werden die neu eingekleideten Gerechten von Engeln zur Paradiespforte geleitet und die Verdammten nackt an den Höllenschlund geführt. Die obere Zone zeigt abermals Christus. Seine rechte Brust ist entblößt, die Hände erhoben. Die Wundmale werden sichtbar, Zeichen des Todes Christi am Kreuz. Christus erscheint hier nicht als Richter, sondern als Retter und Hoffnungsträger. Sein Opfer tilgt die Sünden, die durch Adam und Eva in die Welt gebracht wurden. Zu Seiten bitten kniend Maria und Johannes für die Seelen der Menschen. Sie unterstützen und verstärken mit ihrer Fürbitte die Gebete der Auferstehenden, wie sie im unteren Register dargestellt sind. Das Bildprogramm liest sich wie ein Wegweiser zum Paradies. Dieser beginnt mit der eigenen Disziplinierung zur Tugendhaftigkeit und führt über die Kirche als weltliche Verwalterin der Sakramente* schließlich durch Christus in den Himmel. Das Betreten des Innenraums der Kathedrale ist demnach der einzige Weg zum Paradies, eine Vorstufe zum Heil. Ein christliches Bildschema Das Portal in Amiens veranschaulicht beispielhaft ein christliches Bildkonzept. Es basiert auf verschiedene Textstellen der Bibel, die durch ihre Gegenüberstellung jeweils neuen und zusätzlichen Sinn ergeben. Zugleich zeigen die Einzeldarstellungen untereinander zahlreiche Verbindungen auf. Einzelfi guren und Szenen werden miteinander kombiniert. Größenmaßstäbe geben eine Hierarchie vor, formale Entsprechungen fassen Einzelbilder zu Gruppen zusammen. Der Betrachter wird eingeladen, durch horizontale und vertikale Bezüge immer neue Sinnzusammenhänge herzustellen. Damit leistet das Bild etwas, wozu die Schrift in dieser Form nicht in der Lage wäre. Bilder für die Laien? Auf den ersten Blick erinnert die bilderreiche Kirchenfassade an Werbetafeln heutiger Großstädte. Tatsächlich könnten aber die Unterschiede kaum größer sein. Die Kathe dral fassade mit ihren zahlreichen Textund Bildbezügen ist kein Massenmedium, das auf Allgemeinverständlichkeit angelegt ist. Sie refl ektiert hochkomplexe theologische Sachverhalte wie die Heilsgeschichte und die Rolle der Kirche darin. Nur wenige Laien werden sie verstanden haben. N u r zu P rü fz w e c k e n E ig e n tu m d e s C .C .B u c h n e r V e rl a g s | |
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