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199Deutschland und die geteilte Welt nach 1945 Die Stalin-Noten Kurz vor der Unterzeichnung des Deutschlandund EVGVertrages schlug Stalin am 10. März 1952 den west lichen Siegermächten vor, einen Friedensvertrag abzuschließen und eine gesamtdeutsche Regierung zu bilden. Dabei nannte er eine Bedingung: Ein vereintes Deutschland dürfe kein militärisches Bündnis eingehen. Dem ersten Angebot folgten weitere. Auf Stalins Vorschläge reagierten die Westmächte mit der Forderung nach freien Wahlen, aus denen eine gesamtdeutsche Regierung hervorgehen sollte. Außerdem lehnten sie und alle politischen Kräfte in der Bundesrepublik ein neutrales Gesamtdeutschland ab. Ihrer Meinung nach wäre es der Sowjetunion schutzlos ausgeliefert gewesen. Die letzten Schritte zur Souveränität Frankreich teilte die Furcht vor der Sow jetunion, war aber gegen westdeutsche Truppen. Die Mehrheit der französischen Nationalversammlung lehnte daher im August 1954 den EVG-Vertrag ab. Die Frage des deutschen Verteidigungsbeitrages und die Eingliederung der Bundesrepublik in den Westen waren wieder offen. Den Ausweg aus der Krise fand der britische Außenminister Anthony R. Eden. Er schlug eine Lösung im Rahmen der NATO vor. Dazu forderte er, das im März 1948 gegründete Verteidigungsbündnis zwischen Großbritannien, Frankreich, Belgien, Luxemburg und den Niederlanden (Brüsseler Pakt) durch den Beitritt der Bundes republik und Italiens zu einer Westeuropäischen Union (WEU) zu erweitern. Auf der Londoner Neun-Mächte-Konferenz (Frank reich, Großbritannien, USA, Bene lux staaten, Italien, Bundesrepublik und Kana da) und den an schließenden Konferenzen in Paris im Herbst 1954 wurden die Erweiterung des Brüsseler Paktes zur WEU, die Aufnahme der Bundesrepublik in das westliche Verteidigungsbündnis und das Ende der Besatzungsherrschaft vereinbart. Gleichzeitig sollte Bonn sich mit der Stationierung westlicher Truppen auf deutschem Boden einverstanden erklären und auf atomare, biologische oder chemische Massenvernichtungswaffen verzichten. Darüber hinaus verpfl ichtete sich die Bundes republik in den Pariser Verträgen, die Wiedervereinigung oder eine Änderung bestehender Grenzen nicht gewaltsam anzustreben. Trotz des Widerstandes in der Bevölkerung gegen die Wiederbewaffnung wurden die Pariser Verträge am 27. Februar 1955 vom Bundestag angenommen. Am 5. Mai 1955 traten sie in Kraft, vier Tage später war die Bundesrepublik Mitglied der NATO. Im Jahr darauf wurde die allgemeine Wehrpfl icht wieder eingeführt. Der Bonner Alleinvertretungsanspruch Gegenüber dem Ausland beanspruchte Ade nauer einen Alleinvertretungsanspruch der demokratischen Bundesrepublik für ganz Deutschland. Die DDR erkannte er nicht als eigenständigen Staat an. Sein Staats sekretär im Auswärtigen Amt, Walter Hallstein, entwickelte daraus folgende außenpolitische Doktrin (dt. Lehre, Leitlinie): Erkannte ein Land die DDR als selbstständigen Staat an, brach die Bundesrepublik die diplomatischen Beziehungen zu ihm ab. Von dieser Regelung war nur die Sowjetunion ausgenommen, die ja zu den vier Siegermächten zählte. Langfristig erwies sich die Hallstein-Doktrin aber als Hemmnis der Bonner Außenpolitik, denn auf Dauer ließ sich die DDR international nicht vollständig isolieren. Ende der 1960er-Jahre wurde diese Politik daher aufgegeben. Deutsch-deutsche Kontakte Der Bonner Alleinvertretungsanspruch führte aber nicht zum Abbruch aller Beziehungen, zwischen der Bundesrepublik und der DDR. Weiterhin tauschten Behörden und Ministerien Informationen aus, um rechtliche Probleme oder Rentenfragen zu lösen. Es gab weiter private Kontakte zwischen Verwandten in Ost und West und auch zwischen Kirchen, Gewerkschaften und Parteien sowie Sportverbänden, Kultureinrichtungen (wie den GoetheGesellschaften) und wissenschaftlichen Ausschüssen. Wichtig war außerdem der innerdeutsche Handel, nicht vom Umfang her, sondern für das Zusammengehörigkeitsgefühl und die Verständigung über weltanschauliche Gräben hinweg. 2 „Großmutter, was machst du für verlockende Angebote? – … Damit ich dich besser fressen kann.“ Karikatur aus der Gewerkschaftszeitung „Welt der Arbeit“ vom 10. Mai 1952. Beschriftung: „Bundes-Republik“ (links), „Sowjetische Vorschläge: Souveränität – Abzug aller Besatzungstruppen – Eigene Wehrmacht“ ó Analysiere die Karikatur. Welche Gefahren werden beschworen? Berücksichtige dabei auch M 1 auf Seite 200. 31013_1_1_2015_164_227_kap4.indd 199 26.03.15 15:31 Nu r z u Pr üf zw ck n Ei ge nt um d es C .C . B uc hn er V er la gs | |
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