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207Deutschland und die geteilte Welt nach 1945 Die Motive Noch im Februar 1945 hatten sich der amerikanische Präsident Roosevelt, der sowjetische Regierungschef Stalin und der britische Premierminister Churchill auf der Konferenz in Jalta für ein nationalstaat liches Europa stark gemacht. Dagegen meinte wenige Jahre später der amerikanische Außenminis ter John Foster Dulles: „Europa muss sich vereinigen oder untergehen.“ Was waren die Gründe für diesen Meinungswandel nach dem Krieg? • Die Einsicht der Siegermächte, dass das zerstörte Europa nur gemeinsam wiederaufgebaut werden könne; • der beginnende Kalte Krieg; • das Interesse Großbritanniens und Frankreichs, Deutsch land in eine westeuropäische Ordnung einzubinden, um neue Sonderwege zu verhindern; • die Hoffnung, ein einiges Westeuro pa könne zu einer „dritten Kraft“ zwi schen den USA und der Sowjet union werden. Die Zukunftspläne wurden beeinfl usst von Europavorstellungen der Zwischen kriegs zeit und der Widerstandskämpfer gegen die NS-Herrschaft. Ein Zusammenschluss der Staaten blieb aber zu nächst aus, weil die Regierungen nach 1945 ihre nationale Unabhängigkeit nicht für eine vage Europa-Idee aufgeben wollten. Hinzu kam, dass die Form einer künftigen Verbindung umstritten war: Sollte es ein europäischer Bundesstaat oder ein Staatenbund werden? Diese Frage erweist sich bis in die Gegenwart als Schlüsselproblem des Vereinigungsprozesses. Start mit dem Europarat Der erste politische Zusammenschluss westeuropäischer Staaten nahm im Mai 1948 auf dem Haager Europakongress konkretere Formen an. Am 5. Mai 1949 wurde in London ein Abkommen zur Gründung des Europarates unterzeichnet. Am 10. August 1949 fand dann die Gründungssitzung in Straßburg statt. Großbritannien, Frankreich, Irland, Italien, Dänemark, Norwegen, Schweden und die drei Beneluxstaaten (Niederlande, Belgien und Luxemburg) hatten Politiker ihrer Parlamente entsandt.* Der Europarat sollte die politische und kulturelle Einigung Westeuropas vorantreiben. Da er aber keine Gesetzgebungsrechte erhielt, blieb ihm nur die Möglichkeit, freiwillige zwischenstaatliche Abkommen (Konventionen) zu verabschieden. Zu den wirkungsvollsten Abkommen der ersten Jahre zählten: • die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (1950) und • die Sozialcharta (1961). Auf dem Weg in ein neues Europa 1 Zerstörung der Grenzschranken. Foto vom 7. August 1950. 300 Studenten aus acht europäischen Ländern trafen sich an der deutsch-französischen Grenze, zerbrachen die Grenzschranken zwischen Wissembourg und St. Germanshof und verbrannten sie. Sie forderten ein europäisches Parlament und eine europäische Regierung. Europa einigt sich wirtschaftlich Mit der 1951 gegründeten Montanunion gaben die Regierungen von Belgien, Frankreich, Holland, Italien, Luxemburg und der Bundesrepublik Deutschland zum ersten Mal wirtschaftliche Zuständigkeiten an eine supranationale europäische Behörde ab. Sie sollte auch sicherstellen, dass die damals wichtigs ten Grund lagen industrieller Produk tion nicht mili tärisch missbraucht wurden. Der Erfolg veranlasste die Mitglieder, die Gemeinschaft auszubauen. Am 25. März 1957 unterschrieben sie in Rom die Verträge über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und die Europäische Atomgemeinschaft (EURATOM). Vereinbart wurden in den Römischen Verträgen • eine gemeinsame Politik in der Land wirtschaft, der Fischerei und im Verkehr, • die schrittweise Abschaffung der Zölle bei der Ein und Ausfuhr von Waren sowie der Kontrollen und Beschränkungen für den Personen-, Dienstleistungs und Kapitalverkehr, • eine gemeinsame Zollund Handels politik gegenüber Staaten außerhalb der EWG sowie • die Zusammenarbeit bei der fried lichen Nutzung der Atomenergie. 1967 wurden EGKS, EURATOM und EWG zur Europäischen Gemeinschaft (EG) zusammengefasst. * Die Türkei und Griechenland wurden 1949, die Bundesrepublik Deutschland 1951 Mitglieder des Europarates. 31013_1_1_2015_164_227_kap4.indd 207 26.03.15 15:31 Nu r z u Pr üf zw ck en Ei ge nt um d es C .C . B uc hn er V er la gs | |
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