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Erfolgreicher Nachzügler In Deutschland kam die Industrialisierung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wegen der Zollgrenzen zwischen den Einzelstaaten des Deutschen Bundes (gegründet im Jahr 1815) nur zögerlich in Gang. Einer der Vorkämpfer für die Idee, Deutschland zu einem einheitlichen Wirtschaftsgebiet zu machen, war der Volkswirtschaftler Friedrich List. Im Jahr 1834 schlossen sich schließlich fast alle großen deutschen Staaten zum Deutschen Zollverein zusammen (u M1). Ausgenommen blieb allerdings Österreich, das auf Drängen Preußens dem Zollverein nicht beitreten durfte. Nach dessen Gründung entstand ein weitgehend einheitlicher Markt, der den Absatz von Gütern aus der gewerblichen Massenproduktion erleichterte. Da nun das Risiko für Kapitalanlagen in Fabriken, die auf eine große Nachfrage nach ihren Gütern angewiesen waren, deutlich sank, wurde umso stärker investiert. Die Wirtschaft der deutschen Staaten befand sich daher von 1815 bis 1835 in einer Aufwärtsentwicklung. Vor allem in der Landwirtschaft stieg durch neue effi zientere Anbaumethoden, die Verwendung ertragreicher Pfl anzen und die Verbesserung der Tierzucht die Produktion stark an, in den Jahren 1815 bis 1845 um 50 Prozent. Dadurch konnten nicht nur die stetig zunehmende Zahl von Bewohnern im eigenen Land versorgt, sondern auch Agrarprodukte exportiert werden. Trotz der Produktionssteigerungen hatte die gewerbliche Industrie im Vergleich zu England aber noch einen deutlichen Rückstand. Das Überangebot an Arbeitskräften führte zusätzlich zur Senkung der Löhne. Die Eisenbahn als „Schrittmacher“ In der Folge wurden die Schwerindustrie und der Maschinenbau zu entscheidenden Trägern der Industrialisierung. Insbesondere der Eisenbahnbau erwies sich als Motor der Entwicklung (u M2). Die Eisenbahnen wurden in Kürze zu schnellen und günstigen Transportmitteln, was alle Wirtschaftsbereiche und den Handel begünstigte. Die erste deutsche Eisenbahnlinie wurde 1835 zwischen Nürnberg und Fürth in Betrieb genommen. In den folgenden Jahren wurde das Schienennetz in den deutschen Staaten rasch ausgebaut. Gab es um 1840 erst 579 Streckenkilometer, so waren 1850 bereits 7 123 Kilometer Schienen verlegt worden. Zur Gewinnung von Eisen und Stahl wurden moderne Fabriken gegründet. Diese entstanden meist in Gegenden mit Kohlebergbau, wie dem Ruhrgebiet, dem Saargebiet und Sachsen. Etwa 1850 begann die „Durchbruchphase“ der deutschen Industrialisierung. Der Aufschwung hielt bis in die Siebzigerjahre an. Um 1870 war Deutschland zwar noch immer ein Land, in dem der größte Teil der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig war und das einen hohen Anteil seiner Wirtschaftsleistung in diesem Sektor schuf. Der Prozess der Industrialisierung beschleunigte sich aber zunehmend. Der Anteil der Menschen, die in der gewerblichen Produktion und im Dienstleistungsbereich arbeiteten, stieg ebenso stark an wie die Zahl der Fabriken. Diese Entwicklung verlief nicht gleichmäßig in allen Teilen Deutschlands, sondern fand vorwiegend in den industriell führenden Regionen statt. Deutschland wird Industriestaat Nach dem Krieg gegen Frankreich von 1870/71 und der Gründung des Deutschen Reiches verstärkte sich das Wachstum der deutschen Wirtschaft und Industrie sprunghaft. Deutschland wurde nun endgültig zu einem Industriestaat. Die Reichsgründung führte zur Entstehung eines nationalen WirtVom industriellen Aufbruch zur Industriegesellschaft i Friedrich List. Pastell nach einer Lithografi e von Josef Kriehuber, um 1845. Friedrich List (1789 1846, Selbstmord): geboren in Reutlingen, Wirtschaftswissenschaftler, Politiker und Journalist. Er wurde 1822 in Württemberg wegen Aufhetzung gegen die Staatseinrichtungen zu Festungshaft verurteilt. 1825 kam er frei und ging in die USA. Fünf Jahre später kehrte er zurück und begann, sich für die Einheit Deutschlands einzusetzen. Internettipps: Zur Industrialisierung in Deutschland und im europäischen Vergleich siehe Code 4677-01 14 Die „Zweite Industrielle Revolution“ und die Entstehung der modernen Massengesellschaft 4677_1_1_2015_010-047_Kap1.indd 14 17.07.15 11:36 N r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um de s C .C .B uc h er V er la gs | |
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