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Erfi ndungen und technischer Fortschritt Am Ende des 19. Jahrhunderts begann in Deutschland eine neue Phase der Industrialisierung, in der neue Branchen als „Schrittmacherindustrien“ hervortraten (u M1). Die Anfänge der chemischen Industrie liegen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, wo sie vor allem als Zulieferer der Textilindustrie an Bedeutung gewann. Am Ende des 19. Jahrhunderts produzierte die chemische Industrie Grundchemikalien, Zwischenund Fertigprodukte für die Landwirtschaft, die Textil-, Automobilund Pharmaindustrie sowie für das Bau-, Glas-, Papier-, Leder-, Metallund Seifen gewerbe. 1913 besaßen die deutschen Chemiekonzerne zusammen einen Anteil von 80 Prozent an der Weltproduktion. Entscheidende technische Neuerungen prägten die Elektroindustrie. Die Dynamomaschine ermöglichte es, mechanische Energie in elektrische Energie umzuwandeln. Mit dem elektrischen Telegrafen konnten Nachrichten wesentlich schneller als bisher verbreitet werden. In Deutschland wurde die erste Telegrafenleitung 1847 zwischen Berlin und Potsdam errichtet, seit 1849 war in Preußen der Telegrafenverkehr öffentlich. Mit den um 1880 entwickelten brauchbaren Telefonen konnte die neue Kommunikationstechnik auch im Privathaushalt genutzt werden. War es 1881 nur in sieben deutschen Orten möglich zu telefonieren, so waren 1913 bereits über 40 000 Orte an das Telefonnetz angeschlossen. In die Achtzigerjahre des 19. Jahrhunderts fällt auch die Erfi ndung des Automobils. Die industrielle Massenproduktion begann aber erst nach der Jahrhundertwende. Die Erfi ndung des Verbrennungsmotors wirkte sich auch auf den beginnenden Luftverkehr aus. Vor allem die militärische Nutzung führte zu einem Auftrieb für den Flugzeugbau: Wurden 1912/13 noch 1 000 Flugzeuge weltweit gebaut, produzierte allein das Deutsche Reich während des Ersten Weltkrieges 44 000 Flugzeuge. Welthandel und internationale Konkurrenz Die neuen Verkehrswege, Nachrichtentechniken und die intensivierten Handelsund Kapitalbeziehungen sorgten für bessere Absatzmöglichkeiten und ein enormes weltweites Wirtschaftswachstum. Begünstigt wurde dies durch den Freihandel, zu dem nach britischem Vorbild um die Mitte des 19. Jahrhunderts auch andere europäische Staaten übergingen und der einen von Zöllen und anderen staatlichen Eingriffen unbehinderten Warenaustausch ermöglichte. Gleichzeitig hatten die intensivierten weltwirtschaftlichen Verfl echtungen – Historiker sprechen von einem ersten „Globalisierungsschub“ – einen steigenden Wettbewerb zur Folge und ließen die Industriestaaten immer mehr vom Weltmarkt abhängig werden. Die auf den Boom der Gründerjahre folgende Wirtschaftskrise von 1873 erschütterte das ungebrochene Vertrauen in die Selbstregulierung der Wirtschaft durch das „freie Spiel der Kräfte“ und brachte ein Umdenken in der Wirtschaftspolitik. Der Ruf nach staatlichen „Schutzzöllen“, die den deutschen Markt vor der ausländischen Konkurrenz abschirmen sollten, wurde immer lauter. Besonders die Landwirtschaft sah sich von den billigen amerikanischen und russischen Getreide importen bedroht. 1879 ging das Deutsche Reich von der Freihandelszur Schutzzollpolitik (Protektionismus) über. In Abkehr von der wirtschaftsliberalen Grundüberzeugung sah es der Staat zunehmend als seine Aufgabe an, Handel und Wirtschaft zu schützen und durch die Festlegung von Marktpreisen oder Verkehrstarifen regulierend einzugreifen. Zusätzlich unterstützte die Regierung die Industrie beim Aufbau von Handelsvertretungen im Ausland oder versorgte Reedereien, Werften und die Rüstungsindustrie mit Aufträgen. Lebensund Arbeitsbedingungen im Wandel Wichtige Erfi ndungen und Fortschritte in Physik, Medizin, Nachrichtenund Kommunikationstechnik um 1900 1886 Entdeckung elektrischer Funk und Radiowellen (Heinrich Hertz, Deutsches Reich) 1895 Röntgenstrahlen (Wilhelm C. Röntgen, Deutsches Reich) 1896 Entdeckung der natürlichen Radioaktivität des Urans (Henri Becquerel, Frankreich) 1896 Erfi ndung der drahtlosen Telegrafi e (Guglielmo Marconi, Italien) 1900 Quantentheorie (Max Planck, Deutsches Reich) 1903 Operation im Brustkorb und am freiliegenden Herzen (Ferdinand Sauerbruch, Deutsches Reich) 1904 Offsetdruck; Aufschwung der illustrierten Presse 1905/15 bisherige Annahmen über Zeit und Raum, Masse und Energie werden „relativiert“; Relativitätstheorien (Albert Einstein, Deutsches Reich) 1910 Entwurf eines Atommodels, das von einem positiven Bereich (Protonen) im Atomkern ausgeht (Ernest Rutherford, Großbritannien) 1913 Reihenimpfung gegen Diphtherie auf Grundlage der Entdeckung von Impfstoffen (Emil von Behring, Deutsches Reich) 20 Die „Zweite Industrielle Revolution“ und die Entstehung der modernen Massengesellschaft 4677_1_1_2015_010-047_Kap1.indd 20 17.07.15 11:36 N r z u Pr üf zw ec k Ei ge nt um d es C .C .B uc hn er V er la gs | |
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