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Geschichte kontrovers Geschichte kontrovers 510 Das Ende des Kalten Krieges – Ergebnis des militärischen Niederrüstens? Das Ende des Kalten Krieges wurde im Jahr 1990 gleich von mehreren Seiten offi ziell erklärt. Damit klang auch der scharfe Ost-West-Konfl ikt abrupt aus, der in seiner radikalsten Phase zu existenziellen Krisen geführt und die Welt beinahe in den Abgrund gestürzt hätte. Am 25. Dezember 1991 wurde auf dem Kreml in Moskau die rote Fahne der Sowjetunion durch die weiß-blau-rote Fahne Russlands ersetzt. Die Staaten Osteuropas hatte sich schon aus dem Herrschaftsbereich der Sowjetunion befreit und die ehemaligen Sowjetrepubliken ihre Unabhängigkeit erklärt, nachdem freie Wahlen stattgefunden hatten. In der Geschichtsund Politikwissenschaft ist umstritten, warum dieser auf politischer, wirtschaftlicher und weltanschaulicher Ebene so massiv geführte Kalte Krieg mit dem Untergang der Sowjetunion endete. War dieser Zusammenbruch – gemessen an westlichem Fortschrittsdenken, das sich an Demokratie und Marktwirtschaft orientiert – eine von der Sowjetunion selbst verschuldete Krise oder Ergebnis eines Drucks massiver Aufrüstung seitens der USA? Oder erodierte die Sowjet union langsam durch die westliche Entspannungspolitik und durch die Infi ltration westlicher Ideen und Vorbilder? M1 „Den amerikanischen Anstrengungen nicht gewachsen“ Zbigniew Brzezin´ski, ehemaliger Sicherheitsberater verschiedener amerikanischer Regierungen und Dozent an amerikanischen Universitäten, nimmt 1992 Stellung: Der Kalte Krieg endete tatsächlich mit dem Sieg auf der einen und der Niederlage auf der anderen Seite. Diese Realität kann nicht bestritten werden – trotz der verständlichen Empfi ndlichkeiten, die eine solche Schlussfolgerung unter den Weichherzigen im Westen und einigen früheren Führern der besiegten Seite hervorruft. […] Die globale sowjetische Offensive dauerte unvermindert bis in die zweite Hälfte der 70er-Jahre an. Nicht länger durch die strategische amerikanische Stärke politisch gehindert, wurden sowjetische Truppen in Vietnam, Äthiopien, Jemen, Kuba, ganz zu schweigen von dem geopolitisch wichtigen Mittleren Osten, eingesetzt, während sowjetische militärische Stellvertreter in Mosambik, Angola und anderswo aktiv waren. […] Das Ergebnis war die letzte Phase des Kalten Krieges ungefähr von 1979 1991. Sie war gekennzeichnet durch die graduelle Wiederaufnahme der ideologischen Initiative des Westens, durch den Ausbruch einer weltanschaulichen und politischen Krise im Lager des Gegners und durch den letzten und entscheidenden Stoß der USA im Rüstungswettlauf. Diese Phase dauerte ein Jahrzehnt. Ihr Ergebnis war Sieg. […] Die massive US-Verteidigung, die in den frühen Achtzigern aufgebaut wurde und die auch die Entscheidung einschloss, mit der Strategic Defense Initiative fortzufahren – beides schockte die Sowjets und strapazierte ihre Ressourcen. Ihre Größe, ihre Wucht und ihr technologischer Wagemut waren in Moskau vollkommen unerwartet gewesen. 1983 entwickelte sich eine echte Kriegsangst im Kreml und die USA wurden vielleicht eingeschätzt, sogar eine militärische Lösung anzustreben. Und dann in der Mitte des Jahrzehnts dämmerte es den sowjetischen Führern, dass sie weder mit den amerikanischen Anstrengungen gleichziehen konnten noch ihnen gewachsen waren. […] Der Rüstungswettkampf erschöpfte die sowjetische Volkswirtschaft und widerlegte somit die eigenen ideologischen Erwartungen. […] Die reformorientierte Gorbatschow-Führung, umschmeichelt, umworben, sogar verführt durch den Westen und in seiner letzten Phase geschickt beeinfl usst durch Präsident Bush und den deutschen Kanzler Helmut Kohl, wählte den zweiten Weg. Das Ergebnis war ein Chaos im östlich-zentralen Europa und dann Kapitulation. […] Während des ganzen Kalten Kriegs war es Amerika, das die meiste Last trug und seinen stärksten Willen demonstrierte durchzuhalten. Die Alliierten Amerikas waren im Allgemeinen standhaft in kritischen Augenblicken, aber auf der anderen Seite neigten sie mehr zu Kompromissen. […] Es war Amerika, das die ganze Zeit des Kalten Krieges die sowjetische Machtausübung mit einer Haltung und Führung aufhielt, die im Gesamten bemerkenswert konsistent war. Zbigniew Brzezin´ski, The Cold War and its Aftermath, in: Foreign Affairs 71/1992, S. 31 49, hier S. 31 46 (übersetzt von Rolf Schulte) 5 10 15 20 25 30 35 40 45 4677_1_1_2015_482-535_Kap14.indd 510 17.07.15 12:19 Nu zu P üf zw ec k n Ei ge nt um d s C .C .B uc hn er V er la g | |
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