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512 Konfl ikte und Frieden nach dem Zweiten Weltkrieg Der Weg zur europäischen Integration Europainitiativen in der Nachkriegszeit Schon unmittelbar vor und nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges entstanden Initiativen für ein gemeinsames Europa. Sie knüpften an Vorstellungen der 1920er-Jahre an, gaben die Schuld an der Katastrophe den souveränen Nationalstaaten auf dem Kontinent und plädierten für eine europäische „Bundesordnung“. Sie sei der „Schlüssel zum Frieden für die Welt“ (u M1). Winston Churchill* zählte zu den bekanntesten Politikern, die kurz nach dem Krieg die „Vereinigten Staaten von Europa“ forderten (u M2). Allerdings ging Churchill davon aus, dass Großbritannien nicht Mitglied, sondern eine Art Schutzmacht des Zusammenschlusses sein sollte. Churchills Appell befl ügelte die Europabewegung. Auf einem ersten Europakongress in Den Haag, der im Mai 1948 etwa tausend Delegierte aus Parlamenten, Verbänden und Kirchen aus 19 Staaten zusammenführte, wurde über die gemeinsame europäische Zukunft diskutiert. Die Politik konnte die Forderungen nach einem gemeinsamen Europa nicht ignorieren und reagierte. Doch den Visionen wurden durch die Realität Grenzen gesetzt: Die Regierungen waren zunächst nicht bereit, auf nationale Rechte zu verzichten. Außerdem war Deutschland nicht souverän, sondern stand unter der Kontrolle der vier Siegermächte. Zudem waren die zentralen Herausforderungen der Nachkriegszeit: der Kampf gegen den Hunger, der wirtschaftliche Wiederaufbau sowie der beginnende Kalte Krieg. Den wichtigsten Impuls für ein gemeinsames Europa gaben die Vereinigten Staaten 1948 mit dem Marshall-Plan**. Die USA waren aus ökonomischen und politischen Gründen langfristig an stabilen Verhältnissen in Europa interessiert. Einerseits, um sich einen Absatzmarkt für ihre Produkte zu sichern, und andererseits, um verlässliche Verbündete zu bekommen. Die Verteilung des Konjunkturprogramms übernahmen die Europäer selbst. Dafür wurde 1948 die Organisation für Europäische Wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC) gegründet. Die historischen Grundlagen des Einigungsprozesses Was waren die Gründe, die zur westeuropäischen Integration führten? Ein Prozess der europäischen Einigung schien eine Reihe von Problemen lösen zu können. Folgende Faktoren bestimmten um 1950 den beginnenden Einigungsprozess: 1. Nach der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges, die noch viel verheerender war als die nach dem Ersten Weltkrieg, herrschte überall der Wunsch vor, dieses Mal einen dauerhaften Frieden zu gestalten. 2. Daraus folgte, dass die europäischen Völker den Nationalismus eindämmen mussten, der zu zwei Weltkriegen geführt hatte. Besonders zwischen Deutschland und Frankreich sollte es zu einer Versöhnung kommen. OEEC (Organization for European Economic Cooperation): 1948 gegründete Organisation; Mitglieder waren 16 (später 18) Teilnehmerstaaten. Die OEEC koordinierte den Wiederaufbau und förderte die wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit Europas. Nachfolgeorganisation ist seit 1961 die OECD (Organization for Economic Cooperation and Development), die sich nicht mehr auf Europa beschränkt. Sie berät und informiert über Wirtschaftsfragen und Bildung (z. B. PISA). i „Coopération Intereuropéenne.“ Plakat, 1950. Das Plakat (75 x 55 cm) warb für die „Innereuropäische Zusammenarbeit“ und entstand um 1950 im Rahmen des Wettbewerbs des Marshall-Plans. * Siehe S. 253. ** Siehe S. 319 f. 4677_1_1_2015_482-535_Kap14.indd 512 17.07.15 12:19 Nu r z u Pr üf zw ec k n Ei ge nt u d es C .C .B uc h er V er la gs | |
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