Volltext anzeigen | |
50 Vom Hochimperialismus zum ersten „modernen“ Krieg der Industriegesellschaft Motive und Grundzüge des europäischen Imperialismus Kolonialismus: Herrschaft eines Staates über abhängige Kolonien. Kolonien stehen in der Abhängigkeit einer Kolonialmacht, die direkt durch Statthalter oder indirekt politisch-wirtschaftlich ihren Einfl uss geltend macht. Der Herrschaftsanspruch der Kolonialmacht beruht auf ihrem Ausdehnungsstreben, das aufgrund politischer, militärischer oder wirtschaftlichtechnischer Überlegenheit möglich wird. Den Prozess der Landnahme bezeichnet man als Kolonisation. i „The Rhodes Colossus. Striding from Cape Town to Cairo.“* Karikatur aus der englischen Satirezeitschrift „Punch“ vom 10. Dezember 1892. p Recherchieren Sie die Rolle von Cecil Rhodes für die Kolonisierung Afrikas. p Analysieren Sie die Karikatur und erläutern Sie ihre Aussage. Vom Kolonialismus zum Imperialismus Die europäische Expansion nach Über see, die seit dem 16. Jahrhundert durch die Kolonisationsbewegung der Spanier und Portugiesen, dann hauptsächlich der Holländer, Engländer und Franzosen geprägt war, veränderte die Welt grundlegend. Seit Mitte der 1880er-Jahre erhielt dieser Vorgang eine gesteigerte Stoßkraft, denn jetzt wurde es zum programmatischen Ziel, politisch und wirtschaftlich abhängige Gebiete außerhalb der eigenen Grenzen zielgerichtet dem eigenen Herrschaftsbereich einzuverleiben, um so die Machtstellung der eigenen Nation zu stärken. Unter diesen neuen Vorzeichen wandelte sich im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts der Kolonialismus zum Imperialismus und stellte damit zugleich Fortsetzung und Höhepunkt der europäischen Expansion dar (u M1). Vom lateinischen Wort Imperium abgeleitet, bedeutet der Begriff „Herrschaft“ oder „Großreichspolitik“ und kann als die territoriale Ausdehnung eines Staates über andere Länder und Völker verstanden werden. Im weiten Sinne umfasst der „Imperialismus“ das gesamte 19. und frühe 20. Jahrhundert bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Als „klassisches Zeitalter des Imperialismus“ oder als Periode des Hochimperialismus gelten jedoch die Jahre zwischen 1880 und 1914, in denen die nichteuropäische Welt von der europäischen Zivilisation sowie dem westlich-industriellen System durchdrungen wurde. Das Gleichgewicht der Mächte wich einem allgemeinen Prestigeund Rüstungswettlauf. Zum Hauptschauplatz der um Kolonien wetteifernden Großmächte wurde das bis dahin weitgehend unerschlossene Afrika. Ein weiterer Schwerpunkt des Interesses lag in Ostasien, vor allem in China und im pazifi schen Raum. Manche Staaten wie Belgien, das Deutsche Reich und Italien erwarben erstmals koloniale Besitzungen und traten damit in Konkurrenz zu den „alten“ Kolonialmächten – allen voran England mit seinem „Empire“, das neben den ehemaligen Siedlungskolonien, den Dominions (Kanada, Neufundland, Australien, Neuseeland, Kapkolonie in Afrika), und Britisch-Indien Kolonien und Stützpunkte in aller Welt umfasste. Die Rufe nach einem „größeren Britannien“ ebenso wie nach einem „neuen Frankreich“ wurden immer lauter. Gleichzeitig setzte das zaristische Russland seine Expansion bis nach Persien und an die Grenzen Afghanistans, Koreas und nach China fort. Auch die USA und Japan, das sich im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts in einem raschen Indus trialisierungsund Modernisierungsprozess dem europäisch-amerikanischen Vorbild anglich, beteiligten sich an diesem Vorgang. Da die noch „freien“ Gebiete der Erde begrenzt waren, entwickelte sich ein internationales Ringen um Vergrößerung der eigenen Territorien und Abrundung der Einfl ussgebiete. Die Konkurrenzsituation beschleunigte den Prozess der Landnahme enorm. Innerhalb weniger Jahrzehnte teilten die Kolonialmächte die Welt unter sich auf und unterwarfen die unterlegenen Länder und Völker. Vor dem Ersten Weltkrieg stand die Hälfte der Erde und damit mehr als 600 Millionen Menschen unter kolonialer Herrschaft. * Zur Kap-Kairo-Linie vgl. S. 60. 4677_1_1_2015_048-089_Kap2.indd 50 17.07.15 11:58 Nu r z u Pr üf zw ck en Ei ge nt um d es C .C .B uc hn er V er la gs | |
![]() « | ![]() » |
» Zur Flash-Version des Livebooks |