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530 Konfl ikte und Frieden nach dem Zweiten Weltkrieg M1 Völkerrecht und Friede Der Königsberger Immanuel Kant veröffentlicht 1795 seine Abhandlung „Vom ewigen Frieden“. In dieser Schrift geht es auch um die Erhaltung des erzielten Friedens – eine Frage, die die Vereinten Nationen noch immer beschäftigt. Das Völkerrecht soll auf einen Föderalismus freier Staaten gegründet sein. […] Bei dem Begriffe des Völkerrechts, als eines Rechts zum Kriege, lässt sich eigentlich gar nichts denken […], es müsste denn darunter verstanden werden: dass Menschen, die so gesinnt sind, ganz recht geschieht, wenn sie sich untereinander aufreiben, und also den ewigen Frieden in dem weiten Grabe fi nden, das alle Gräuel der Gewalttätigkeit samt ihren Urhebern bedeckt. – Für Staaten, im Verhältnisse untereinander, kann es nach der Vernunft keine andere Art geben, aus dem gesetzlosen Zustande, der lauter Krieg enthält, herauszukommen, als dass sie, ebenso wie einzelne Menschen, ihre wilde (gesetzlose) Freiheit aufgeben, sich zu öffentlichen Zwangsgesetzen bequemen und so einen (freilich immer wachsenden) Völkerstaat (civitas gentium), der zuletzt alle Völker der Erde befassen würde, bilden. Da sie dieses aber nach ihrer Idee vom Völkerrecht durchaus nicht wollen, mithin, was in thesi1 richtig ist, in hypothesi2 verwerfen, so kann an die Stelle der positiven Idee einer Weltrepublik (wenn nicht alles verloren werden soll) nur das negative Surrogat3 eines den Krieg abwehrenden, bestehenden und sich immer ausbreitenden Bundes den Strom der rechtscheuenden, feindseligen Neigung aufhalten, doch mit beständiger Gefahr ihres Ausbruchs. […] Wenn es Pfl icht, wenn zugleich gegründete Hoffnung da ist, den Zustand eines öffentlichen Rechts, obgleich nur in einer ins Unendliche fortschreitenden Annäherung wirklich zu machen, so ist der ewige Friede, der auf die bisher fälschlich so genannten Friedensschlüsse (eigentlich Waffenstillstände) folgt, keine leere Idee, sondern eine Aufgabe, die nach und nach aufgelöst, ihrem Ziele (weil die Zeiten, in denen gleiche Fortschritte geschehen, hoffentlich immer kürzer werden) beständig näher kommt. Zitiert nach: Kurt von Raumer, Ewiger Friede. Friedensaufrufe und Friedenspläne seit der Renaissance, Freiburg / München 1953, S. 431 f. und 460 1. Skizzieren Sie Kants Argumentation. Unterscheiden Sie dabei zwischen idealen und realistischen Zielen. 2. Erörtern Sie in einem Essay den Unterschied zwischen einem „Zustand öffentlichen Rechts“ (Zeile 25) als wirklichen Frieden und den „fälschlich so genannten Friedensschlüsse[n]“ (Zeile 27 f.). M2 Aus der Charta der UNO Die UN-Charta (Grundgesetz) tritt am 24. Oktober 1945 in Kraft, nachdem die fünf Großmächte China, Frankreich, Großbritannien, UdSSR und USA sowie die Mehrheit der übrigen Unterzeichnerstaaten die Ratifi kationsurkunden bei der USRegierung hinterlegt haben. Art. 1: Die Vereinten Nationen setzen sich folgende Ziele: (1.) den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren und zu diesem Zweck wirksame Kollektivmaßnahmen zu treffen, um Bedrohungen des Friedens zu verhüten und zu beseitigen, Angriffshandlungen und andere Friedensbrüche zu unterdrücken und internationale Streitigkeiten oder Situationen, die zu einem Friedensbruch führen könnten, durch friedliche Mittel nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit und des Völkerrechts zu bereinigen oder beizulegen; (2.) freundschaftliche, auf der Achtung vor dem Grundsatz der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker beruhende Beziehungen zwischen den Nationen zu entwickeln und andere geeignete Maßnahmen zur Festigung des Weltfriedens zu treffen; (3.) eine internationale Zusammenarbeit herbeizuführen, um internationale Probleme wirtschaftlicher, sozialer, kultureller und humanitärer Art zu lösen und die Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten für alle ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion zu fördern und zu festigen. Art. 2: […] (3.) Alle Mitglieder legen ihre internationalen Streitigkeiten durch friedliche Mittel so bei, dass der Weltfriede, die internationale Sicherheit und die Gerechtigkeit nicht gefährdet werden. […] 5 10 15 20 25 30 5 10 15 20 1 in thesi: im Allgemeinen 2 in hypothesi: im Besonderen 3 negatives Surrogat: schlechter Ersatz i Symbol der Vereinten Nationen. 4677_1_1_2015_482-535_Kap14.indd 530 17.07.15 12:19 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C .B uc hn er V rla gs | |
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