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58 Vom Hochimperialismus zum ersten „modernen“ Krieg der Industriegesellschaft Verwendung des Landes. Ich bin gänzlich anderer Ansicht. Ich glaube, dass die Nation als solche vernichtet werden muss oder, wenn dies durch taktische Schläge nicht möglich war, operativ und durch die weitere Detail-Behandlung aus dem Lande gewiesen wird. Es wird möglich sein, durch die erfolgte Besetzung der Wasserstellen von Grootfontein bis Gobabis und durch eine rege Beweglichkeit der Kolonnen die kleinen nach Westen zurückströmenden Teile des Volkes zu fi nden und sie allmählich aufzureiben. […] Sie müssen jetzt im Sandfeld untergehen oder über die Betschuanagrenze überzugehen trachten. Dieser Aufstand ist und bleibt der Anfang eines Rassenkampfes, den ich schon 1897 in meinen Berichten an den Reichskanzler für Ostafrika ausgesagt habe. c) Nach der grausamen Niederschlagung des Aufstandes durch die deutschen Truppen äußert sich 1907 ein Herero über die Ursachen für den afrikanischen Widerstand: Der Krieg ist von ganz kleinen Dingen gekommen und hätte nicht [zu] kommen brauchen. Einmal waren es die „Stuurmann“ [Kaufl eute] mit ihrem schrecklichen Wucher und eigenmächtigem, gewaltsamen Eintreiben. […] [W]er nicht zahlen wollte oder konnte, den verfolgten und plagten sie. Dann ist es der Branntwein gewesen, der die Leute schlecht und gewissenlos gemacht hat. Wenn jemand trinkt, dann ist es ihm gleich, was er tut. Aber das schlimmste Übel ist, was viel böses Blut und Streit hervorgerufen hat, die Vergewaltigung unserer Frauen durch Weiße. Manche Männer sind totgeschossen [worden] wie Hunde, wenn sie sich weigerten, ihre Frauen und Töchter preiszugeben, und drohten, sie mit der Waffe in der Hand zu verteidigen. Wären solche Dinge nicht geschehen, wäre kein Krieg gekommen, aber er ist bei solchen Vergewaltigungen ausgebrochen. Er war mit einem Male da, und da war kein Halten mehr, jeder rächte sich, und es war, als sei kein Verstand mehr unter den Massen. d) Am 18. August 1907 trifft der Gouverneur von DeutschSüdwestafrika folgende Maßregeln zur Kontrolle der Eingeborenen: Aufgrund des § 15 des Schutzgebietsgesetzes […] sowie des § 5 der Verfügung des Reichskanzlers vom 27. September 1903 […] wird hiermit für den Bereich des südwestafrikanischen Schutzgebietes verordnet, was folgt: § 1. Eingeborene können nur mit Genehmigung des Gouverneurs Rechte oder Berechtigungen an Grundstücken erwerben. § 2. Den Eingeborenen ist das Halten von Reittieren oder Großvieh nur mit Genehmigung des Gouverneurs gestattet. […] § 4. Eingeborene, die herumstreichen, können, wenn sie ohne nachweisbaren Unterhalt sind, als Landstreicher bestraft werden. § 5. Namens des Gouverneurs wird bis zur Ernennung besonderer Eingeborenen-Kommissare die Oberaufsicht über die Werften1 und die Lebensverhältnisse der Eingeborenen von dem zuständigen Bezirksamtmann geführt […]. § 8. Bezüglich der außerhalb bewohnter und bewirtschafteter Grundstücke lebenden Eingeborenen bestimmt die Aufsichtsbehörde den Ort der Niederlassung und die Zahl der Familien, die dort zusammen wohnen dürfen. Es bleibt der Aufsichtsbehörde überlassen, für größere Ortschaften ihres Bezirks oder Distrikts Bestimmungen zu treffen, wonach sich die dort wohnhaften Eingeborenen in der Zeit zwischen 9 Uhr abends und 4 Uhr morgens auf ihrer Werft zu befi nden haben. […] § 10. Die örtliche Aufsicht über Eingeborenen-Werften, die sich auf Regierungsland oder solchem Land befi nden, das noch nicht vom Eigentümer oder sonst Berechtigten bewohnt oder unter Bewirtschaftung genommen ist, wird von den Organen der Aufsichtsbehörde ausgeübt. § 11. Die örtliche Aufsicht über andere Werften (Privatwerften) ist Sache des auf dem Grundstücke ansässigen Dienstherrn der Eingeborenen oder dessen Stellvertreters. § 12. Derjenige, dem die öffentliche Aufsicht über eine Privatwirtschaft obliegt, hat für den Gesundheitszustand und für die Aufrechterhaltung der Ordnung auf der Werft sowie für die Beachtung der Vorschriften dieser Verordnung durch die Eingeborenen Sorge zu tragen. Er hat ein genaues Verzeichnis der seiner Aufsicht unterstellten Eingeborenen-Behausungen zu führen und darin die Na men und Beschäftigungen der Bewohner und die Nummern ihrer Passmarken anzugeben. Erster, dritter und vierter Text zitiert nach: Horst Gründer (Hrsg.), „… da und dort ein junges Deutschland gründen“. Rassismus, Kolonien und kolonialer Gedanke vom 16. bis zum 20. Jahrhundert, München 1999, S. 152 155 Zweiter Text zitiert nach: Michael Behnen, Quellen zur deutschen Außenpolitik im Zeitalter des Imperialismus 1890 1911, Darmstadt 1977, S. 292 f. 1. Erläutern Sie, welche Denkweisen sich hier auf die Kolonialpolitik auswirkten. 2. Arbeiten Sie die Lebensverhältnisse der afrikanischen Bevölkerung unter der deutschen Herrschaft heraus. 3. Ausgehend von Trothas Schießbefehl, der einen Monat später vom Kaiser zurückgenommen wurde, wird diskutiert, ob die Deutschen in Südwestafrika einen Genozid (Völkermord) begangen haben. Informieren Sie sich über diesen Begriff und entwickeln Sie Argumente für eine Erörterung. 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 1 Werften: allgemein für die Siedlungen der schwarzen Bevölkerung 4677_1_1_2015_048-089_Kap2.indd 58 17.07.15 11:58 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C. C. Bu ch ne r V er la gs | |
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