Volltext anzeigen | |
66 Vom Hochimperialismus zum ersten „modernen“ Krieg der Industriegesellschaft i „Internationales Wettrüsten. Wem wohl zuerst die Puste ausgeht?“ Karikatur aus der deutschen Satirezeitschrift „Der wahre Jacob“ vom 31. März 1908. M3 Deutsche „Weltpolitik“ aus britischer Perspektive Der englische Historiker Rolf Hobson befasst sich im Jahre 2002 mit den Auswirkungen der um 1896/97 einsetzenden neuen deutschen Außenpolitik: Es gibt keinen Zweifel, dass der Tirpitz-Plan1 eine Strategie des Rüstungswettlaufes war, die darauf abzielte, in der Zukunft politische Konzessionen zu erhalten, indem die balance of power2 durch ein Aufrüstungsprogramm verändert wurde. Die langfristigen Kalkulationen der deutschen Seite rechneten mit einer ausdauernden britischen Anstrengung zur Erhaltung der nummerischen Überlegenheit bei den Schlachtschiffen und sogar mit der Möglichkeit eines [britischen] Präventivschlages, um den wachsenden Rivalen zu eliminieren. […] Die wachsende deutsche Flotte stellte [für die Engländer] dann eine potenzielle hegemonielle Drohung und einen Grund zur Sorge über die Absichten des Reiches dar, wenn man sie zusammen mit der machtvollen deutschen Armee betrachtet und vor dem Hintergrund eines lautstarken Nationalismus und einer unberechen baren Außenpolitik sieht. In diesem Sinne trug der Tirpitz-Plan dazu bei, diejenige Konstellation unter den Großmächten herbeizuführen, die den Ersten Weltkrieg in erster Linie zu einem Kampf gegen eine deutsche Hegemonie in Europa machte. Der große Flottenwettlauf bedingte eine erhebliche Verschlechterung der englisch-deutschen Beziehungen und brachte die englische öffentliche Meinung in wachsendem Ma ße dazu, ein Engagement auf dem Kontinent zu akzeptieren. Er verstärkte das Gewicht der militärischen Faktoren in den Kalkulationen der Kabinette und engte den Raum für diplomatische Manöver ein. […] Die vier wichtigsten Gründe für den englisch-deutschen Antagonismus waren in chronologischer Reihenfolge die ökonomische Konkurrenz, koloniale Rivalität, der Rüstungswettlauf und die Aussicht, dass die deutsche Armee Frankreich besiegen könnte. Die meisten Historiker würden darin übereinstimmen, dass die Drohung einer kontinentalen Hegemonie durch die Ausschaltung Frankreichs aus der balance of power als die wichtigste Bedrohung der britischen nationalen Sicherheit betrachtet wurde. Sie selbst hätte automatisch eine Intervention gegen Deutschland in einem Krieg nach sich gezogen. Die deutschen Anhänger des Flottenbaus glaubten hingegen, dass die wirtschaftliche Konkurrenz […] England dazu bewegen würde, einen präventiven Handelskrieg zu entfesseln. Gegen diese Bedrohung war es notwendig, eine starke Abschreckung zur Verfügung zu stellen, nämlich die „Risikofl otte“. Rolf Hobson, Imperialism at Sea. Naval Strategic Thought, the Ideology of Sea Power and the Tirpitz Plan, 1875 1914, Boston 2002, S. 325 328, übersetzt von Boris Barth Gestalten Sie eine Grafi k, mit der Sie Hobsons Interpretation der Voraussetzungen, Absichten und Folgen der deutschen und englischen Politik veranschaulichen können. H Wählen Sie zwischen verschiedenen Möglichkeiten der Gestaltung: Stellen Sie die deutsche Flotte in den Mittelpunkt des Schaubildes, wählen Sie eine Gegenüberstellung von Großbritannien und dem Deutschen Reich oder entwerfen Sie die Skizze einer Eskalation. F Weisen Sie an Hobsons Text nach, woran die britische Perspektive des Verfassers erkennbar wird. M4 Internationale Krisen um Marokko a) Am 3. Juni 1904 nimmt Geheimrat Friedrich von Hol stein zu den Bestimmungen in der Entente cordiale Stellung: Bei der englisch-französischen Abmachung über Ägypten und Marokko ist England in Ägypten, Frankreich in Marokko der erwerbende Teil. Eng land hat mit den Mächten, welche in 1 Zu Admiral Alfred von Tirpitz vgl. S. 62. 2 balance of power (Gleichgewicht der Kräfte): Grundprinzip der englischen Außenpolitik seit dem 18. Jh. Großbritannien ist bemüht, die Vorherrschaft einer Macht in Europa (Festland) zu verhindern. 5 10 15 20 25 30 35 40 4677_1_1_2015_048-089_Kap2.indd 66 17.07.15 11:58 Nu r z u Pr üf zw ec k n Ei ge nt um de s C .C .B uc h r V er la g | |
![]() « | ![]() » |
» Zur Flash-Version des Livebooks |