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Kompetenzen prüfen 135 Philip Plickert: „Freibrief für die EZB“ Der Europäische Gerichtshof hat der EZB einen Freibrief für künftige massenhafte Anleihekäufe ausgestellt. Die monetäre Staatsfinanzierung wird mit einem verschwurbelten Begriff gerechtfertigt. Ein Kommentar. Drei magische Worte genügten EZB-Präsident Mario Draghi auf dem Höhepunkt der Euro-Krise vor knapp drei Jahren, um die Stimmung an den Finanzmärkten zu drehen: „Whatever it takes“ (was immer nötig ist) werde die Zentralbank tun, um den Euro zu „retten“. An den Märkten wurde das Signal verstanden. Im Notfall feuert die EZB aus allen Rohren und kauft die Anleihen überschuldeter Staaten – in praktisch unbegrenztem Volumen. Sofort stiegen die Kurse der Krisenländeranleihen, und die Renditen, die das Risiko widerspiegelten, fielen. Draghis Ankündigung, im OMT-Programm präzisiert, wirkt seitdem wie eine Kreditausfallversicherung. Wer trägt die Kosten? Letztlich wir, die Steuerzahler der Euroländer mit halbwegs soliden Staatsfinanzen. Denn kauft die EZB in rauen Mengen Risikopapiere der Peripherieländer, wird das Ausfallrisiko vergemeinschaftet. Die Währungsunion mutiert zu einer Schulden-Haftungsunion – entgegen den Versprechen der Politiker. Es ist höchst bedauerlich, dass der Europäische Gerichtshof in einem politischen Urteil der EZB einen Freibrief für künftige massenhafte Anleihekäufe ausgestellt hat. Ein Programm, das in seiner ökonomischen Wirkung eindeutig auf die Rettung überschuldeter Staaten zielt, wird zu einer angeblich legitimen geldpolitischen Maßnahme umgedeutet. Dass die EZB das Programm erst bei einem Hilfsantrag beim Euro-Krisenfonds aktiviert und an Reformauflagen knüpfte, macht es nicht besser – es zeigt nur, dass sie in die Wirtschaftspolitik übergreift und ihre Kompetenzen überschreitet. Sie betreibt eben keine Geldpolitik mehr. Die monetäre Staatsfinanzierung wird mit dem verschwurbelten Begriff gerechtfertigt, man habe den „monetären Transmissionsriemen“ reparieren wollen. Der Zinsaufschlag, der Preis für Risiko, wird zur „Störung“ umgedeutet. Die Ankündigung des OMT-Programms und der im März begonnene pauschale Anleihekauf, mit dem Papiere über mehr als eine Billion Euro gekauft werden sollen, haben die Renditen selbst hochverschuldeter Eurostaaten auf extrem niedrige Niveaus gedrückt. Trotz des jüngsten Anstiegs sind die Zinsen noch sehr niedrig, etwa für Italien mit seinem Schuldenberg von rund 140 Prozent der Wirtschaftsleistung. Das billige Schuldenmachen ist nur durch die EZB-Politik zu erklären. Sie hat das Ausfallrisiko sozialisiert. Doch ohne einen angemessenen Preis für das Risiko ist der nächste Schuldenexzess absehbar. Philip Plickert, Freibrief für die EZB, FAZ, 17.6.2015, S. 17 Philip Plickert Philip Plickert, deutscher Volkswirtschaftler, arbeitet als Journalist in der Wirtschaftsredaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. II. Klausurtraining Aufgaben 1. Stellen Sie das OMT-Programm der EZB dar. 2. Analysieren Sie die Stellungnahme von Philip Plickert zu den Staatsanleihenankäufen ideologiekritisch. Vergleichen Sie seine Position mit kontroversen Positionen. 3. Erörtern Sie unter Einbeziehung der Position des Autors kriteriengeleitet mögliche Probleme hinsichtlich der OMT-Anleihen. Berücksichtigen Sie ein ökonomisches und ein politisches Argument. Erwartungshorizonte zu den Aufgaben 1 – 3 Mediencode: 72022-09 5 10 15 20 25 30 H Aufgabe 2 Ideologiekritische Textanalyse: J Methodenglossar, S. 567 Nu r z u Pr üf we ck en Ei ge nt um d es C .C .B uc hn er V er la gs | |
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