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1716.1 Die EU und die Mitgliedsländer – werden wir von Brüssel „regiert“? b) Prinzipien und Formen des Unionsrechts Die Rechtsordnung der Union weist […] starke Merkmale einer bundesstaatlichen Ordnung auf. Zugleich wird deutlich, dass die Mitgliedstaaten weiterhin einen eigenen Gestaltungsspielraum besitzen und dass sie als „Herren der Verträge“ […] den Integrationsprozess kontrollieren können. Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung: Als grundlegendes Merkmal, das die Europäische Union von einem Bundesstaat unterscheidet, ist das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung zu betrachten. Demnach kann die Union nur in den Bereichen tätig werden, in denen die Mitgliedstaaten die Kompetenz übertragen haben. Diese Übertragung muss ausdrücklich in den Vertragsgrundlagen der EU festgehalten sein. Die Europäische Union kann ihren Kompetenzbereich also nicht selbständig erweitern. Sie hat keine Kompetenz-Kompetenz […]. Vorrang des Unionsrechts: […] Die Frage nach dem Verhältnis von europäischem zu nationalem Recht ist deshalb von so großer Bedeutung, weil es für das Funktionieren der EU unerlässlich ist, dass das Unionsrecht in den Mitgliedstaaten einheitlich gilt und angewendet wird. Dies ist nur bei einem Vorrang des Unionsrechts gesichert. In einem Vorabentscheidungsverfahren hat der Europäische Gerichtshof den Vorrang des Gemeinschaftsrechts (erst seit dem Vertrag von Lissabon spricht man in diesem Zusammenhang von Unionsrecht) erstmals klar formuliert und begründet […]. Heute ist der prinzipielle Anwendungsvorrang des Unionsrechts vor dem nationalen Recht sowohl in der Rechtsprechung der Mitgliedstaaten als auch in der Wissenschaft anerkannt. Doch die Begründungen hierfür sind unterschiedlich und aus der Sicht der Mitgliedstaaten ist der Vorrang kein absoluter, sondern stößt an Schranken, die sich aus den nationalen Verfassungen ergeben. […] Subsidiaritätsprinzip: [Es] bedeutet, dass eine staatliche Aufgabe soweit wie möglich von der jeweils unteren bzw. kleineren Einheit wahrgenommen werden soll. Das Subsidiaritätsprinzip wurde schon früh zu einem Grundgedanken der Integration und ist schließlich im Vertrag von Maastricht ausdrücklich im Primärrecht der Union verankert worden. Die EU darf in Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, nur dann tätig werden, wenn die angestrebten Ziele der Maßnahme auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene nicht ausreichend verwirklicht werden können. Das Subsidiaritätsprinzip gilt damit explizit nicht für die ausschließlichen Unionskompetenzen wie beispielsweise die Zoll-, Handelsund Währungspolitik. Primärund Sekundärrecht: Das Recht der Union unterteilt sich in Primärund Sekundärrecht. […] Das Primärrecht besteht aus den völkerrechtlichen Verträgen, auf denen die Europäische Union beruht […]. Dazu zählen die Gründungsverträge der Europäischen Gemeinschaften aus dem Jahr 1958 sowie die späteren Ergänzungen und Änderungen dieser Verträge. […] Wichtige Änderungen der EG-Verträge erfolgten in der Einheitlichen Europäischen Akte (in Kraft 1987), sowie den Verträgen von Maastricht (1993), Amsterdam (1999), Nizza (2003) und Lissabon (2009). Ebenfalls zum Primärrecht gehören die Beitrittsverträge, die bei Erweiterungen der Union mit den neuen Mitgliedstaaten geschlossen werden. [...] Der Vertrag von Lissabon besteht aus dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Auch wenn mit dem Vertrag von Lissabon das formelle Verfassungskonzept aufgegeben wurde, so kann das Primärrecht, das die höchste Stufe des EU-Rechts bildet, faktisch als eine Art „Verfassung“ der Union verstanden werden. Das Sekundärrecht besteht aus den Rechtsakten der EU. Diese Rechtsakte werden von den EU-Organen auf der Grundlage des Primärrechts erlassen […]. Primärund Sekundärrecht bilden den Kern des rechtlichen Besitzstandes der Union, der meist mit dem französischen Begriff Acquis communautaire bezeichnet wird. […] Staaten, die der Union beitreten wollen, müssen den kompletten Acquis übernehmen. Werner Weidenfeld, Die Europäische Union, Wilhelm Fink Verlag, München 2013, S. 158 ff. 55 60 65 70 75 80 85 90 95 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 Kontrolle des EURechts durch den Gerichtshof der Europäischen Union Der Gerichtshof der Europäischen Union ist für die Auslegung des EU-Rechts zuständig und gewährleistet damit, dass das EU-Recht in allen EU-Mitgliedstaaten auf die gleiche Weise angewendet wird. Außerdem kann der Gerichtshof in Rechtsstreitigkeiten zwischen den Regierungen der EU-Mitgliedstaaten und den EU-Organen entscheiden. Privatpersonen, Unternehmen oder Organisationen können sich ebenfalls mit einer Rechtssache an den Gerichtshof wenden, wenn sie der Auffassung sind, dass ein Organ der EU ihre Rechte verletzt hat. Quelle: http://europa.eu, © Europäische Union, 1995-2015, Für die Wiedergabe und Anpassung ist allein C.C. Buchner Verlag GmbH verantwortlich. Vorabentscheidungsverfahren Wenn ein nationales Gericht der EU-Mitgliedstaaten Zweifel hinsichtlich der Auslegung oder Gültigkeit einer Rechtsvorschrift der EU hat, so kann bzw. muss es den Gerichtshof der Europäischen Union zu Rate ziehen. Dieser Rat wird in Form einer „Vorabentscheidung“ über die entsprechende Rechtsvorschrift der EU erteilt. (J M17) Kriterien für den EU-Beitritt J Kapitel 5.3, M13 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei g nt um d es C .C .B uc hn er V er la s | |
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