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2799.3 Vertiefung: Kontroverse um die Zuwanderung b) Kontra: Wir können nicht alle aufnehmen! Ja, wir können mehr Flüchtlinge aufnehmen in Deutschland und Europa. Viel mehr. Das wollen wir, das müssen wir. Aber nicht alle. Darauf aber läuft die Forderung hinaus, die Grenzen zu öffnen: Wer das tut, muss bereit sein, potenziell Millionen von Menschen in Europa zu beheimaten. Es gibt dann kein Drinnen und kein Draußen mehr, kein Wir und kein Die. Das klingt schön. Aber es wird unschöne Folgen haben. Für die, die hier sind, und für die, die kommen. Und natürlich wird sich die Nachricht, Europa nehme jeden auf, in den armen Regionen der Welt herumsprechen. Die idealistische Forderung, jedem Zuwanderer Zuflucht zu gewähren, hat den Charme, dass sie sich nicht mit den Widersprüchen beschäftigen muss, die zum Leben gehören. Es ist aber die Aufgabe von Politik, zwischen konkurrierenden Werten, Interessen und Pflichten abzuwägen und konkrete Lösungen zu ermöglichen. Es ist nämlich nicht alles gut, wenn alle Flüchtlinge trockenen Fußes in Deutschland (oder Europa) angekommen sind. Dann fangen neue Probleme an. Von Max Frisch stammt der linge und die Humanität unserer Gesellschaft aufs Spiel setzen, sie würde ihre Energie nicht auf eine Abschreckung konzentrieren, die am Ende eh nicht funktioniert, sondern eine nachhaltige Infrastruktur für alle schaffen, die zu uns wollen. Dazu gehören nicht nur Unterkünfte, sondern auch Ärzte, Sozialarbeiter, Lehrer, Ausbilder und – es kommen nicht nur gute Menschen – viele Polizisten. Das wird einiges kosten, keine Frage. Aber wie viel kostet eigentlich die schrumpfende Bevölkerung in Deutschland? Von den kulturellen und moralischen Kosten zu schweigen. Denn die Europäer können nicht dauerhaft in Frieden und Harmonie mit den Afrikanern oder Arabern, die schon hier sind, Satz: „Wir riefen Arbeitskräfte, und es kamen Menschen.“ So ist es auch bei den Flüchtlingen. Es werden Menschen kommen. Menschen, die unser Land bereichern. Aber es werden auch welche kommen, die vage oder falsche Vorstellungen vom Leben hier haben, Menschen, die Konflikte mitbringen und Konflikte schaffen werden. Auch Kriminelle und Terroristen. […] Leicht entsteht der Eindruck: Hier die Moral, da der kalte Pragmatismus. Aber das ist falsch. Für eine humane Regulierung der Zuwanderung nach Europa gibt es pragmatische Argumente – und moralische. Zuerst die pragmatischen: Die Ressourcen, auch die des reichsten Landes sind begrenzt. Den Solidaritätsmuskel einer Gesellschaft kann man trainieren, wenn man es klug anstellt. Aber er kann nicht unbegrenzt Lasten stemmen, und sogar Mitleid erschöpft sich. Kein Staat der Welt lässt daher unkontrolliert Menschen einwandern. Erzeugt erst eine angebliche „Abschreckungspolitik“ die Ängste vor den Fremden in der Bevölkerung, wie es die Freunde offener Grenzen behaupten? Dafür spricht wenig bis nichts. Die Zuleben, wenn sie ihren Freunden und Verwandten die Nothilfe verweigern. Eine faule Ausrede lautet: Man müsse das Übel an der Wurzel packen, die Kriege und das Elend der Herkunftsländer abschaffen. Vielleicht gelingt das ja irgendwann. Vielleicht auch niemals. Und bis dahin sollen die Auswanderer an unseren Grenzen sterben? Europa braucht endlich eine realistische Einwanderungspolitik fern jeder Kontrollillusionen. Konzentrieren wir uns auf das Machbare, den Umbau Europas zu einer modernen Einwanderungsgesellschaft. Bernd Ulrich, Gero von Randow, Wir dürfen niemanden abweisen, DIE ZEIT, 17/2015, 23.4.2015, S. 3 1 Chimäre: Trugbild 30 35 40 45 50 55 115 120 125 5 10 15 20 25 95 100 105 110 Nu r z u Pr üf zw ec ke Ei ge nt um d es C .C .B uc hn er V er la gs | |
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