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31310.5 Frauen auf dem Arbeitsmarkt – gleicher Lohn für gleiche Arbeit? Süddeutsche Zeitung: Sie als Soziologin – wie beurteilen Sie folgende Beobachtung aus der Echtwelt: Drei Männer sitzen beim Mittagessen. Der eine berichtet über seinen neuen Job als Abteilungsleiter: Gerade hat er eine Mitarbeiterin zu sich zitiert, weil die immer um 14.00 Uhr nach Hause geht. Sie arbeitet von zu Hause aus, weil sie ein kleines Kind hat. Jutta Allmendinger: Er wird nicht lange Abteilungsleiter bleiben. Das werden ihm die anderen Männer wohl auch gesagt haben. Nein. Die anderen waren sich einig, dass man als Chef seine Schäfchen um sich versammelt haben möchte. Das sind überholte Muster. Klar muss es Arbeitsbesprechungen geben. Aber die können auch am Vormittag stattfinden. Eine Anwesenheitskultur ist nicht produktiv und schadet insbesondere jungen Müttern. Also: Ihr frisch gebackener Abteilungsleiter sollte loslassen können, klar Strukturen und Aufgaben vorgeben und dann auf „Self Managing Teams“ setzen. Die Hierarchien von früher tragen nicht mehr. Andere Arbeitsstrukturen führen zu besseren Ergebnissen und einer besseren Arbeitskultur. An Ihrem Institut sehen Sie es also nicht so streng mit der Anwesenheitspflicht? In meinem Arbeitsumfeld arbeiten Männer und Frauen, viele von ihnen mit Kindern, es gibt ganz unterschiedliche Arbeitszeiten. Ich möchte mir die alle gar nicht merken müssen. Dieses Team umfasst mittlerweile mehr als zehn Menschen, die sich weitgehend selbst organisieren. Die Aufgaben sind klar, trotz einiger Überschneidungen. Sie haben ihre Agenda, ihre eigenen wöchentlichen Arbeitstreffen, bei denen ich gar nicht dabei bin. Und das funktioniert? Die Ergebnisse ihrer Arbeit sind ganz prima, auch und gerade weil es manchmal scheppert. Ich bin stolz auf dieses Team. Alle sind sehr gute Korrektive, und alle haben Rückgrat. Anderes Beispiel. Ein Paar, beide Mitte dreißig, steht vor der Frage: Kind, ja oder nein? Er hat vor kurzem seinen Traumjob angetreten und kann nicht kürzertreten. Sie hat einen Stellvertreterposten in einer Agentur und könnte bald befördert werden. Wieso könnte er nicht kürzertreten? Weil er im neuen Job erst mal beweisen muss, was er kann. Entschuldigung, aber das ist schon wieder nichts als männliche Anpassung. So kommen wir nicht weiter. Oft drückt man sich einfach davor, mit dem Chef deutliche Worte zu sprechen: ich reduziere zwar meine Arbeitszeit, bin aber dennoch hochmotiviert, ich bleibe am Ball, bringe meine Leistung. Und die bemisst sich nicht nur nach der Arbeitszeit. Ich weiß, viele Chefs machen es einem schwer. Ich will hier nichts beschönigen. Und seine Partnerin? Was für ihren Mann mit Traumjob zutrifft, betrifft die Frau mit Stellvertreterposten umso mehr. Denn sie reduziert als Mutter nicht um 20 Prozent, sondern nimmt eine Auszeit. Danach kommt sie bestenfalls in Teilzeit zurück, die Karriere ist vorbei. Dies ist für alle unerfreulich, frustrierend und letztendlich auch unproduktiv. Die Zukunft liegt in einer Arbeitszeitreduktion beider Partner, und die müssen gerade die Frauen einfordern. Wir können uns ja denken, was beide von ihren Arbeitgebern zu hören bekommen: Und das in Zeiten der Wirtschaftskrise! Die Wirtschaftskrise ist ja überwunden. Das Gejammer entsteht durch einen eklatanten Fachkräftemangel, der aufgrund der demografischen Entwicklung in den nächsten Jahren noch dramatisch zunehmen wird. Gerade deshalb können wir auch nicht auf viele der heute 5,6 Millionen nicht erJutta Allmendinger, Soziologin und Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung 50 55 60 65 70 75 80 85 90 5 10 15 20 25 30 35 40 45 M28 Interview – Jutta Allmendinger über die Notwendigkeit der Präsenz am Arbeitsplatz und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie Nu r z u Pr üf zw ck en Ei g nt um d es C .C .B uc hn er V er l gs | |
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