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41914.3 Frieden – mehr als nur die Abwesenheit von Krieg? M10 Thomas Hobbes: „Gesetze und Verträge allein können den Zustand des Krieges nicht aufheben“ Die Absicht und Ursache, warum die Menschen bei all ihrem natürlichen Hang zur Freiheit und Herrschaft sich dennoch entschließen konnten, sich gewissen Anordnungen, welche die bürgerliche Gesellschaft trifft, zu unterwerfen, lag in dem Verlangen, sich selbst zu erhalten und ein bequemeres Leben zu führen; oder mit anderen Worten, aus dem elenden Zustande eines Krieges aller gegen alle gerettet zu werden. Dieser Zustand ist aber notwendig wegen der menschlichen Leidenschaften mit der natürlichen Freiheit so lange verbunden, als keine Gewalt da ist, welche die Leidenschaften durch Furcht vor Strafe gehörig einschränken kann und auf die Haltung der natürlichen Gesetze und der Verträge dringt. Alles, was die natürlichen Gesetze fordern, wie z.B. Gerechtigkeit, Billigkeit und kurz, andern das zu tun, was wir wünschen, dass es uns von andern geschehe, ist, wenn die Furcht vor einer Zwangsmacht wegfällt, den natürlichen Leidenschaften, Zorn, Stolz und den Begierden aller Art, gänzlich zuwider. Gesetze und Verträge können an und für sich den Zustand des Krieges aller gegen alle nicht aufheben; denn sie bestehen in Worten, und bloße Worte können keine Furcht erregen; daher fördern sie die Sicherheit der Menschen allein und ohne Hilfe der Waffen nicht. […] Um aber eine allgemeine Macht zu gründen, unter deren Schutz gegen auswärtige und innere Feinde die Menschen bei dem ruhigen Genuss der Früchte ihres Fleißes und der Erde ihren Unterhalt finden können, ist der einzig mögli40 45 50 55 60 65 70 che Weg folgender: Jeder muss alle seine Macht oder Kraft einem oder mehreren Menschen übertragen, wodurch der Willen aller gleichsam auf einen Punkt vereinigt wird, so dass dieser eine Mensch oder diese eine Gesellschaft eines jeden einzelnen Stellvertreter werde und ein jeder die Handlungen jener so betrachte, als habe er sie selbst getan, weil sie sich dem Willen und Urteil jener freiwillig unterworfen haben. Dies fasst aber noch etwas mehr in sich als Übereinstimmung und Eintracht; denn es ist eine wahre Vereinigung in einer Person und beruht auf dem Vertrage eines jeden mit einem jeden, wie wenn ein jeder zu einem jeden sagte: „Ich übergebe mein Recht, mich selbst zu beherrschen, diesem Menschen oder dieser Gesellschaft unter der Bedingung, dass du ebenfalls dein Recht über dich ihm oder ihr abtrittst.“ Auf diese Weise werden alle einzelnen eine Person und heißen Staat oder Gemeinwesen. So entsteht der große Leviathan1 oder, wenn man lieber will, der sterbliche Gott, dem wir unter dem ewigen Gott allein Frieden und Schutz zu verdanken haben. Dieses von allen und jedem übertragene Recht bringt eine so große Macht und Gewalt hervor, dass durch sie die Gemüter aller zum Frieden unter sich gern geneigt gemacht und zur Verbindung gegen auswärtige Feinde leicht bewogen werden. Dies macht das Wesen eines Staates aus. Thomas Hobbes, Leviathan. 1651, übersetzt von Jacob Peter Mayer, Stuttgart 1990, S. 151, S. 155 f. 1 Leviathan: Ungeheuer der altorient. Mythologie Das Menschenbild von Thomas Hobbes (1588 – 1679) und seine Vorstellungen vom Staat sind stark geprägt durch die Erfahrungen von Krieg und Bürgerkrieg. Der von ihm entwickelte Vertragsgedanke ist bis heute ein grundlegendes Denkmodell der politischen Philosophie. Der Naturzustand bei Hobbes wird oft mit dem Zustand des internationalen Systems gleichgesetzt. 5 10 15 20 25 30 35 Aufgaben 1. Beschreiben Sie ausgehend von den angebotenen Unterscheidungen, was Sie unter Frieden verstehen (M8). 2. Arbeiten Sie vergleichend heraus, in welchem Naturzustand die Menschen nach Hobbes und Kant leben und wie nach Ansicht der beiden Autoren Frieden erreicht werden kann (M9, M10). 3. Beurteilen Sie, welches Verständnis von Frieden (M8) den Entwürfen von Kant (M9) und Hobbes (M10) zugrunde liegt. F Aufgabe 3 Ordnen Sie die Autoren begründet der idealistischen bzw. realistischen Theorie der Internationalen Beziehungen zu (J M11, M12) Nu r z u Pr üf zw ec k n Ei ge nt um d es C .C .B uc hn r V er la gs | |
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