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Vertiefung: Ursachen und Bekämpfung von Finanzkrisen 123 barter Laufzeit von bis zu zwei Jahren und Geldmarktpapiere. Diese reservepflichtigen Verbindlichkeiten werden mit dem Mindestreservesatz – von beispielsweise pauschal zwei Prozent – multipliziert. Die Geschäftsbank muss den sich so ergebenden Betrag als Einlage bei der Zentralbank halten. Die Mindestreserveperiode dauert typischerweise vom zweiten Mittwoch eines Monats bis zum zweiten Dienstag des folgenden Monats. Um den durch die Krise strapazierten Geschäftsbanken entgegenzukommen, hat das Eurosystem den Mindestreservesatz im Januar 2012 von zuvor zwei auf ein Prozent gesenkt. Durch die Maßnahme müssen sich die Geschäftsbanken weniger Zentralbankgeld als zuvor beschaffen – und sie müssen dementsprechend auch weniger Sicherheiten beim Eurosystem hinterlegen. (Deutsche Bundesbank: Geld und Geldpolitik, Frankfurt/Main 2014, S. 179 f.) Fallbeispiel: Freunde gründen eine Bank – wie „Geldschöpfung“ funktioniert Dass die Banken bei der Kreditgewährung neues Geld schaffen, mutet manchen wie das Fantasiegebilde eines verwirrten Geistes an. Deshalb hier zur Klärung eine stilisierte Darlegung des Bankgeschäfts. Ich gründe mit einigen kapitalkräftigen Freunden und fünf Millionen Euro Eigenkapital eine Bank. Von den fünf Millionen Euro kauft die Bank spanische Staatsanleihen, die sechs Prozent Zinsen abwerfen. Mit diesen Staatsanleihen als Sicherheit bekommt sie bei der Europäischen Zentralbank (EZB) einen Kredit von fünf Millionen Euro zum Leitzins von sagen wir einem Prozent. Sie erhält dafür ein entsprechendes Guthaben auf einem EZB-Konto eingeräumt. In diesem Moment sind fünf Millionen Euro entstanden, die es vorher nicht gab, mittels Geldschöpfung durch die Notenbank. Das Guthaben transferiert die Bank auf ihr Mindestreservekonto bei der EZB. Beim aktuellen Mindestreservesatz von einem Prozent darf die Bank das Hundertfache ihrer Mindestreserve von fünf Millionen Euro als Einlagen verwalten. Also gibt die Bank dem Unternehmen meines Freundes einen Kredit von 500 Millionen Euro zum Zins von beispielsweise drei Prozent. Den Gegenwert schreibt sie dem Kreditnehmer auf einem Einlagenkonto bei ihr gut. In diesem Moment sind 500 Millionen Euro neue Zahlungsmittel entstanden mittels Geldschöpfung durch eine private Geschäftsbank. In einem Jahr bekommt meine Bank für ihre spanischen Staatsanleihen sechs Prozent Zinsen auf fünf Millionen Euro, also 300 000 Euro, und vom Kreditnehmer drei Prozent auf 500 Millionen Euro, also 15 Millionen Euro. Der EZB muss sie ein Prozent auf fünf Millionen Euro, also 50 000 Euro, bezahlen. Bleibt per Saldo ein Zinsüberschuss von 15,25 Millionen Euro oder stolze 155 Prozent auf das Eigenkapital. Das ist möglich, weil sie Zinsen für Geld bekommt, das sie selbst aus dem Nichts geschaffen hat. In der Praxis würde die Bank natürlich keine solch spektakulären Gewinne ausweisen. Geschäftsräume und IT-Infrastruktur wären zu finanzieren, Juristen und Angestellte zu bezahlen und meine Vorstandskollegen und ich würden sich ihre Mühen und Erfolge mit einem Gesamtgehalt von sagen wir 6 Millionen Euro vergüten lassen. Wenn etwas schiefgeht, ist eine Bank, die ein solches Rad dreht, zwar sehr schnell selbst pleite. Aber die Aktion lohnt sich trotzdem, wenn sie mindestens ein Jahr lang gut geht. Es gibt allerdings einen großen Schönheitsfehler im Geschäftsmodell meiner stilisierten Bankneugründung. Sie hat mit fünf Millionen Euro Guthaben bei der Europäischen Zentralbank (EZB) einen Kredit von 500 Millionen Euro vergeben und dem Kreditnehmer ein entsprechendes Guthaben auf einem Girokonto gutgeschrieben. Das Problem – und wenn man dieses versteht, hat man den Kern der gegenwärtigen europäischen Finanzkrise verstanden: Überweisungen zwischen Banken werden über Zentralbankkonten abgewickelt. Wenn der Kreditnehmer, also das Unternehmen meines Freundes, das Geld von seinem Girokonto auf ein Konto bei einer anderen Bank überweist, um zum Beispiel spanische Anleihen zu kaufen, muss meine Bank 500 Millionen Euro EZB-Guthaben an eine andere Bank abgeben. Sie hat aber nur fünf Millionen auf ihrem EZB-Konto. Für solche Fälle gibt es den Geldmarkt. Meine Bank müsste sich 495 Millionen Euro EZB-Guthaben von einer anderen Bank leihen, die mehr hat, als sie braucht. In guten Zeiten bekommt man als gute Bank ohne Sicherheit Geld am Geldmarkt für einen kleinen Aufschlag auf den Leitzins. Der Geldmarkt ist also das Instrument, mit dem die Banken sicherstellen, dass ihr Geldschöpfungsmodell funktioniert. Er reduziert für die einzelne Bank erheblich das Risiko daraus, dass zu viele Kunden auf einmal das als bloßes Auszahlungsversprechen geschaffene Giroguthaben massenhaft an andere Banken überweisen oder bar abheben. Ein zufälliger Auszahlungsüberschuss bei einer Bank stellt 20 25 30 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C .B uc hn er Ve rla gs | |
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