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Vertiefung: Ursachen und Bekämpfung von Finanzkrisen 125 Die Instrumente der EZB modelle vor. Die Modelle müssen zwar grundsätzlich von der Aufsicht abgenickt werden, aber ihre Ergebnisse dienen der Berechnung der aufsichtsrechtlichen Kapitalausstattung. Die Modelle beruhen ausschließlich auf Risikoeinschätzungen und Prognosen – und vieles lässt sich schätzen und prognostizieren, was dem Sachverstand der Aufsicht verschlossen bleibt. In Fachkreisen wird diese Art der Manipulation treuherzig „Optimierung der risikogewichteten Aktiva“ genannt. Zum anderen hat die Finanzkrise eindrucksvoll bewiesen, dass man immer erst hinterher weiß, wie hoch einzelne Risiken wirklich sind und wo sie entstehen können. Beim Ausbruch der Finanzkrise sprachen plötzlich alle von „Schrottpapieren“ und „Giftmüll“. Dabei handelte es sich um Aktiva, die von den Ratingagenturen und der Aufsicht zum großen Teil als völlig risikolos eingestuft worden waren. Hinterher mussten sie abgeschrieben werden, und die meisten Banken hätten diesen Abschreibungsbedarf ohne staatliche Hilfe nicht überlebt. Außerdem werden Staatsanleihen aus der Eurozone als risikolos eingestuft, einschließlich der Staatsanleihen aus Krisenländern. Eine Staatsschuldenkrise in Europa konnte sich offenbar keine Aufsichtsbehörde vorstellen. […] Im Oktober 2011 brach die belgisch-französische Bank Dexia zusammen. Noch im Juli 2011 hatte sie einen Stresstest [der Aufsicht des Eurosystems] mit einer guten Kernkapitalquote von etwa 12 Prozent bestanden, aber ihre ungewichtete, echte Eigenkapitalquote betrug noch nicht einmal zwei Prozent. Drei Monate später war Dexia pleite, und im Nachhinein ist man geneigt zu sagen: Wen wundert es? (Susanne Schmidt: Das Gesetz der Krise. Wie die Banken die Politik regieren, Droemer Verlag, München 2012, S. 49 f.) Die speziellen „Eigenkapitalquoten“ der Banken Zurzeit arbeiten die großen, globalen Banken daran, bis 2019 eine Quote von 9,5 Prozent zu erreichen (für kleinere Institute liegt die Zielquote bei sieben Prozent). 9,5 Prozent sind entschieden zu wenig, die Quote sollte bei 15 Prozent oder mehr liegen. Außerdem muss die Berechnung der Eigenkapitalquote geändert werden. Dies ist kein technisches Detail, welches den Fachleuten überlassen bleiben sollte, sondern von eminenter Bedeutung für eine angemessene Kapitalausstattung – und damit für die Belastbarkeit eines Instituts. Bei einem Unternehmen in der Realwirtschaft ist die Berechnung eindeutig. Wenn eine Firma eine Bilanzsumme von 100 und ein Eigenkapital von 20 aufweist, dann beträgt die Eigenkapitalquote 20 Prozent. Das ist im Bankenwesen anders, dort ist die eigentliche, einem Unternehmen der Realwirtschaft vergleichbare Quote viel niedriger als die ausgewiesene und veröffentlichte. Die Quote wird nämlich nicht als Prozentsatz von sämtlichen addierten Aktiva berechnet, sondern jeder einzelne Aktivposten wird zunächst mit einem bestimmten Faktor gewichtet und erst dann addiert. Dieser Faktor richtet sich nach dem angenommenen Risiko des Aktivums, zum Beispiel eines Kredits oder einer Anleihe, und liegt im Prinzip zwischen 0 (kein Risiko, zum Beispiel Einlagen bei der EZB) und 1 (hohes Risiko, zum Beispiel Kredit an ein Unternehmen). Die gewichtete Eigenkapitalquote wird als Kernkapitalquote bezeichnet. Dieses Konzept ist zwar theoretisch überzeugend, denn es trägt der Tatsache Rechnung, dass es viel unwahrscheinlicher ist, ein risikoarmes Aktivum (teil-)abschreiben zu müssen als ein Standardgeschäft. In der Praxis aber sind die Risikogewichtungen höchst gefährlich. Zum einen verschaffen sie den Banken einen erheblichen Spielraum, ihre risikogewichteten Aktiva zu manipulieren. Je geringer die Risiken veranschlagt werden, umso geringer ist das Eigenkapital, welches vorgehalten werden muss, und umso höher liegt die Eigenkapitalrendite der Bank – und damit der Aktienkurs der Bank und damit das Prestige der Topmanager mitsamt ihrem Bonus. Eine entsprechende Manipulation nehmen die großen Banken über ihre hausinternen Risiko5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 Nu r z u Pr üf zw e k n Ei ge nt um d es C .C .B uc hn r V er la gs | |
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