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Vertiefung: Ursachen und Bekämpfung von Finanzkrisen 129 dern die Zweckgesellschaft für Zahlungsausfälle einstehen. Und über sie sind jetzt Hunderte Investoren mit im Boot, auch sie tragen jetzt JP Morgans Risiko mit, es ist verteilt wie nie, es ist der Stein der Weisen, die grandiose Lösung für das älteste Problem der Banken: geplatzte Kredite einfach abschreiben zu müssen. (DER SPIEGEL Nr. 47 v. 17.11.2008, S. 48 f.; Verf.: Beat Balzli, Klaus Brinkbäumer, Jochen Brenner, Ulrich Fichtner, Hauke Goos, Ralf Hoppe, Frank Hornig, Ansbert Kneip) Phase 2: Kredite in den Wurstfabriken der Gesetzlosen Es ist ein Wunder, dass das Geschäft so gut gelaufen ist. Denn schließlich ist Bistro neu, fremd, sie sagen „Collateralized Debt Obligation“ dazu. CDOs sind vom ursprünglich einmal vergebenen Kredit noch einen großen Schritt weiter entfernt, sie werden große Karriere machen in den kommenden Jahren, und ihre Kreateure werden das Spiel mit den Tranchen immer wilder treiben. Viel später erst wird der Financial-Times-Kolumnist Wolfgang Münchau derlei Geschäfte in seinem Buch „Kernschmelze im Finanzsystem“ mit einer Wurst vergleichen: Die Kreditrisiken würden letztlich „wie Würste verarbeitet, in Scheiben geschnitten und verkauft“, und dabei fungierten die CDO-Gesellschaften als „Wurstfabrik“. Es wird möglich, auch aus wackligen Credit Swaps auf faule Kredite Papiere zu basteln, die das begehrte AAARanking der Agenturen erhalten. Man kann in CDOs bald Ramsch-Hypotheken verpacken, wacklige Konzernanleihen, fragwürdige „Assets“ aller Art. Die Rating-Leute spielen das Spiel mit, weil sie von den Emittenten der Wertpapiere selbst bezahlt werden; das ist ein schreiender Interessenkonflikt. Der Überprüfte bezahlt seine eigenen Prüfer – sie werden sich hüten, den Ast abzuschneiden, auf dem sie sitzen. Bald bilden sich CDOs von CDOs, Gesellschaften, die noch weiter entfernt sind vom Kreditnehmer ganz am Anfang der Kette. Und es wird selbst CDOs von CDOs von CDOs geben, und dann wird endgültig niemand mehr wissen, wer hier wen gegen welches Risiko absichert. Es sieht aus, in der Rückschau, als hätten einige Händler ein perfektes Verbrechen organisieren wollen. Man wird viel später E-Mails entdecken, in denen sich Analysten der Rating-Agenturen fragen, wann „dieses Kartenhaus zusammenbricht“. Es ist, als würde der größte und dabei sauberste Diebstahl der Weltgeschichte eingefädelt. Denn wozu sonst können CDOs von CDOs von CDOs gedacht gewesen sein, als ein falsches Spiel zu verschleiern? In den Jahren 2000 und 2001 werden jeweils CDOs für 150 Milliarden Dollar verkauft, 2002 sind es 200 Milliarden, 2003 werden es 250 sein, dann 350, 550, ab 2006 liegen die Verkäufe über der Billionengrenze. Und hinter diesen Billionen, irgendwo, Schulden von noch mehr Billionen. […] Und die US-Kontrollgremien? Die amerikanische Börsenaufsicht SEC wurde im Lauf der Jahre immer weiter reduziert. Bei einer Kongressanhörung sagen Zeugen (2008), die Kontrollmacht der SEC sei gering und obendrein lax ausgeführt gewesen. Die Zahl der Mitarbeiter in der Abteilung für Risikomanagement sei immer mehr reduziert worden – von hundert bis am Ende auf einen einzigen. Dieser eine Mitarbeiter habe, unter anderem, die Risiken im Auge behalten sollen, die im gewaltigen Universum der Credit Default Swaps entstanden waren, in dem in Tausenden Einzelverträgen Billionen bewegt wurden. Bei der Anhörung am 7. Oktober erfahren die verblüfften Ausschussmitglieder auch, dass in der Vollstreckungsabteilung der SEC 146 Arbeitsplätze gestrichen worden waren. Der einstige Chefbuchhalter der SEC bestätigt, dass es „eine systematische Entvölkerung in der Regulierungsabteilung“ gegeben habe, „sodass es überhaupt nicht zu einer Regulierung kommen konnte“. Verantwortlich für die Personalkürzungen war das Office of Management and Budget. Dieses Office strich die Zahl der Aufsichtsbeamten genau in der Phase zusammen, in der Goldman Sachs unter seinem damaligen Chef Henry Paulson, dem späteren Finanzminister der USA, in großem Stil das Geschäft mit „Verbriefungen“ an der Wall Street betrieb. Und der Direktor des Office war Joshua Bolten – ein ehemaliger Angestellter von Goldman Sachs. (DER SPIEGEL Nr. 47 v. 17.11.2008, S. 50 ff.; Verf.: Beat Balzli u. a.) Phase 3: Die Blasen platzen New York 2007: Auf dem Interbanken-Markt, auf dem sich die Banken untereinander Geld ausleihen, springt der Zins für Tagesgeld am 9. August auf zeitweise 4,7 Prozent. Die Zahl markiert eine Katastrophe, vermutlich den eigentlichen Startschuss für den großen Untergang: Die Banken trauen sich gegenseitig nicht mehr. Sie horten ihr Geld. Der Interbanken-Markt bricht zusammen, er stirbt ab, obwohl die Europäische Zentralbank (EZB), die amerikanische und die japanische Notenbank ständig frisches Geld frei machen. Die EZB stellt den Banken erst 95 Milliarden, dann, nur Tage später, noch einmal 100 Milliarden Euro zur Verfügung. […] Die Staatschefs und Finanzminister beziffern den Wert der Ramsch-Hypotheken, die im Umlauf sind, ver130 135 140 145 150 155 160 165 170 175 180 185 190 195 200 205 210 215 220 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei g nt um d s C .C .B uc hn er V er la gs | |
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