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Annäherung und Planung: Dimensionen der Globalisierung 149 Globalisierung hautnah: iPhone, iPad, iSlave? SHENZHEN/SCHANGHAI/TAIYUAN Pui Kwan Liang lässt die Jalousie runter. Sie sperrt die Sonne aus, die staubige Straße am Rand der chinesischen Industriestadt Shenzhen und auch neugierige Blicke. Liang, 27, ist berufsmäßig vorsichtig. Die Arbeiteraktivistin aus Hongkong fährt regelmäßig nach China, um die Beschäftigten dort zu unterstützen. Sie hat ein Separee in einem Restaurant gebucht. […] Wenn die Bedienung die Türe öffnet […], erstirbt die Unterhaltung. Nichts soll nach außen dringen. Liang, klein, schwarzhaarig […], ist angespannt. Mit ihrem Smartphone nimmt sie auf, was der Arbeiter erzählt. Der 28-Jährige arbeitet seit anderthalb Jahren in der iPhone-Fabrik gleich um die Ecke. […] Am kleinen Finger und Daumen seiner linken Hand trägt er gepflegte lange Fingernägel […]. Aber die Haut zeigt Narben, die Hand ist verkrüppelt, schief zusammengewachsen. Der Mann kann die Finger kaum noch krümmen. „Passiert ist der Unfall, als ich am Band saß und iPhones zusammensetzte“, erzählt er. Eine Fuhre mit schweren Materialkästen, die ein Kollege vorbeibugsierte, sei umgekippt. Er trug komplizierte Knochenbrüche davon. Jetzt streitet der iPhone-Arbeiter mit der Firma ums Geld. Laut Gesetz, sagt er, müsse er nach dem Arbeitsunfall zunächst eigentlich seinen vollen Lohn erhalten – wie das im Übrigen auch in Deutschland geregelt ist. „Tatsächlich bekomme ich aber nur ein Drittel.“ Außerdem versuche die Firma, mithilfe von Ärzten „die Verletzung und die Behinderung geringer einstufen zu lassen, damit sie weniger zahlen muss“, fügt Liang hinzu. Für den Arbeiter entscheidet der Ausgang des Streits auch darüber, ob er weiter für sein Kind sorgen kann, das bei seinen Eltern im Heimatdorf lebt. Der Mann ist einer von Millionen Beschäftigten, die in China für Apple iPhones, iPads und Laptops produzieren, bestimmt für die Kundschaft in San Francisco, Paris oder Berlin. Für die Zustände in den Fabriken begann sich die Öffentlichkeit 2010 zu interessieren. Damals stürzten sich 13 Arbeiter von Fabrikdächern und nahmen sich das Leben. Mittlerweile hätten 18 Beschäftigte bei Foxconn, dem größten Apple-Zulieferer, Suizid begangen, erklärt die Kritikerorganisation China Labor Watch. Sieben Tage am Fließband, nicht selten 80 Arbeitsstunden wöchentlich, kaum freie Tage oder Urlaub, armselige Löhne von weniger als 1 Euro pro Stunde, Kontakt mit giftigen Substanzen ohne ausreichende Schutzkleidung, Schikanen durch Vorarbeiter, überfüllte Wohnheime – so beschrieben Beschäftigte 2010 ihr Arbeitsleben. Apple und Foxconn versprachen daraufhin, die Bedingungen zu verbessern – und zwar bis zum 1. Juli 2013. Was ist daraus geworden? Hat Apple seine Versprechen gehalten? „Nein“, sagt Liang, „was Apple gemacht hat, reicht nicht aus.“ Nicht nur die Aktivistin ist dieser Meinung. Auch Professor Huilin Lu kritisiert den iPhone-Konzern. Der 44 Jahre alte Soziologe arbeitet an der Peking-Universität, in China so renommiert wie Harvard in den USA. Studenten Lus heuern in den Semesterferien regelmäßig in den Zulieferfabriken an und schreiben Studienarbeiten über ihre Erfahrungen. Kaum jemand hat deswegen so einen umfassenden Einblick in die Firmen wie der Wissenschaftler. Er sitzt auf seinem dicken schwarzen Bürosofa und sagt: „Apple hat seine Versprechen nicht erfüllt.“ 13,50 Euro von 450 Euro Die Kosten: Nur 1,8 Prozent des Verkaufspreises eines iPhone 4 kostet die Arbeit in den chinesischen Zulieferfabriken laut einer US-Studie von 2011. Bei einem Endpreis von rund 450 Euro sind das knapp 9 Euro. Laut Foxconn-Managern beträgt der Anteil 3 Prozent: Das wären 13,50 Euro. „In beiden Fällen ist klar: Apple könnte den Lohn der Arbeiter in den Zulieferfabriken mühelos verdoppeln oder verdreifachen beziehungsweise den Zulieferern dies auferlegen und ihnen entsprechend höhere Preise zahlen“, sagt Cornelia Heydenreich von der Organisation Germanwatch. Die Gewinne: Auf den Verkaufspreis hätte dies keine entscheidenden Auswirkungen. Entweder würde das iPhone etwas teurer oder Apples Gewinn wäre etwas geringer – aber immer noch exorbitant. Der Bruttogewinn bei iPhones lag in den Jahren 2011 und 2012 bei um die 50 Prozent des Verkaufspreises, offenbarte der Apple-Samsung-Prozess. Germanwatch-Mitarbeiterin Heydenreich sagt: „Nicht nur angesichts solcher Gewinnmargen ist es ein Gebot ethischer Verantwortung, bei den Beschäftigen in den Zulieferbetrieben für existenzsichernde Einkommen zu sorgen.“ Was soll man davon halten? Hat Apple seine Versprechen nur gegeben, um die Kunden in den reichen Ländern, bei denen man einen Ruf zu verlieren hat, zu beruhigen? Lügt der Konzern? […] Qian Luo, 32, berichtet, wie er sich bei der Arbeit in der Fabrik – Aufbau und Wartung der Produktionsstraßen für die Apple-Geräte – mit dem elektrischen Trennschleifer einen Zeh des rechten Fußes abgeschnitten 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C .B uc hn er V er la gs | |
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