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Grundlagen: Baustein 1: Erklärungsansätze internationaler Handelsbeziehungen 161 Diskussion: Weltweiter Wohlstand für alle durch Freihandel? „Eine Elite gewinnt alles“ Herr Maskin, Sie behaupten, die Globalisierung habe die Welt zu einem ungerechteren Ort gemacht und die Ungleichheit gesteigert. Die Standardtheorie besagt aber doch, dass der freie Handel den Wohlstand auf der Welt steigert. Die Standardtheorie ist nicht falsch, schließlich hat sie 200 Jahre lang wunderbar funktioniert. Seit der ersten großen Globalisierungswelle Ende des 19. Jahrhunderts, als der Handel zwischen Europa und Nordamerika aufblühte, haben vom Freihandel vor allem Menschen mit niedrigem Einkommen und geringer formaler Ausbildung profitiert. Denn je mehr reiche Industrieund arme Entwicklungsländer miteinander handeln konnten, desto mehr konnte sich jedes Land auf eine Produktart oder eine Branche konzentrieren. Es entstand eine internationale Arbeitsteilung – genau wie es die Theorie vorhergesagt hat. Das war gut für die „Dritte Welt“. Viele arme Länder haben sich in arbeitsintensiven Branchen wie der Landwirtschaft oder einfacher industrieller Fertigung spezialisiert. So konnten sie viele Arbeitsplätze für die breite Bevölkerung schaffen und den Lebensstandard erhöhen. Die Globalisierung hat lange Zeit Ungleichheit bekämpft. Und jetzt ist das alles auf einmal ganz anders? Ja. Globalisierung verläuft in Schüben, und jeder Schub hat seine Eigenheiten. Die aktuelle Globalisierungsepisode, die etwa vor 20 Jahren begann, ist grundlegend anders als die vorherigen. Zum einen sind die Produkte und damit die Produktionsmechanismen komplexer geworden. Das hat dazu geführt, dass inzwischen nicht mehr nur fertige Waren gehandelt werden, sondern Produktionsketten internationalisiert worden sind. Computer und Mobiltelefone werden in den USA entwickelt, in China zusammengebaut und mit Software aus Europa programmiert. Für diese komplexen globalen Produktionsketten brauchen Unternehmen gut ausgebildete Arbeitskräfte. Hinzu kommt, dass die Automatisierung viele einfache Arbeitsplätze komplett hat verschwinden lassen. Wie ändern sich dadurch die Effekte der Globalisierung auf die Einkommensverteilung? Wenn heute Handelshemmnisse fallen, etwa weil Transportkosten sinken oder durch das Internet die Kommunikation einfacher wird, profitieren davon nur Menschen mit einer formalen Ausbildung und bestimmten Fähigkeiten. Und das übrigens nicht nur in Entwicklungsländern, sondern auch in reichen Staaten. Wir sehen die gleichen Entwicklungen momentan in China, in Indien und den USA. Die Einkommensunterschiede werden in all diesen Ländern immer größer, weil einige wenige von der Globalisierung extrem profitieren, während viele komplett abgehängt werden. Aber Gewinner und Verlierer hat es bei der Globalisierung doch immer gegeben. Bisher hat das Ökonomen nicht wirklich gestört. Weil bisher die Gruppe der Gewinner meistens größer war als die der Verlierer. Früher haben vor allem Menschen mit grundlegender oder überhaupt gar keiner Ausbildung vom Freihandel profitiert, also die breite Masse. Das ist jetzt anders. Jetzt gewinnt eine kleine Elite von Hochqualifizierten alles. Die Internationalisierung der Produktion ist daher eine wichtige Ursache, dass die Ungleichheit in vielen Ländern so stark gestiegen ist in den vergangenen Jahren. Was kann man dagegen tun? Auf keinen Fall die Globalisierung stoppen und sich abschotten. Das wäre ein großer Fehler, denn der Freihandel bringt ohne Frage enorme Vorteile, auch in der aktuellen Phase der Globalisierung. Aber wir müssen dafür sorgen, dass möglichst viele Menschen von diesen Vorteilen profitieren können. Wie kann das klappen? Regierungen müssen in Bildung investieren, damit mehr Menschen die Fähigkeiten erlernen können, die auf dem internationalen Markt gefragt sind. Das kann auch eine neue Form der Entwicklungshilfe sein: Reiche Staaten helfen Entwicklungsländern dabei, ein modernes Ausbildungssystem aufzubauen. Wie entscheidend Bildung bei der Entstehung von Ungleichheit durch Globalisierung ist, sieht man in Brasilien. Dort ist die Einkommensungleichheit in den vergangenen Jahren gesunken, obwohl das Land immer stärker in die globalisierte Wirtschaft eingebunden wurde. 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C .B ch ne r V er la gs | |
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