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Das Urteil von drei Jahren und sechs Monaten demonstriert, dass das Verbot der Steuerhinterziehung wirklich für jeden gilt – und dass niemand davonkommt, so prominent er auch sein mag. Hoeneß ist ein braver Mann. Die Kriminalität der Braven ist ein besonderes Kapitel im Strafrecht. Die Kriminalität der Braven handelt meist nicht von Gewalt, nicht von Körperverletzung, nicht von Totschlag und Vergewaltigung. Sie handelt oft von Korruption, Untreue oder, wie bei Hoeneß, von Steuerhinterziehung. Es geht hier um Rechtsgüter, die nicht auf Einzelinteressen, sondern auf gesellschaftlichen Interessen beruhen. Er war und ist ein großzügiger Mann; er hat viel Geld gespendet; er kann auf eine imposante Lebensleistung verweisen. Das ändert nichts daran, dass er – mindestens – 28,5 Millionen Euro Steuern hinterzogen hat. Das ist die Schuld, um die es geht. Was ist der Sinn der Haftstrafe? Die Erziehung des Uli Hoeneß zur Steuerehrlichkeit? Dafür hat diesem wohl schon das vergangene Jahr mit all seinen Anfeindungen gereicht. Die Abschreckung der Bürger vor ähnlichen Taten? Den Allermeisten bleibt da der Schnabel ohnehin sauber, da sie kein Geld zum Zocken haben. Was also ist der Sinn so einer Bestrafung? Diese Strafe demonstriert, dass die strafrechtlichen Verbote wirklich gelten – sie gelten für Hoeneß ebenso wie für Hans Mustermann. Was ein Diebstahl, was ein Raub, was eine Steuerhinterziehung ist – das ist einigermaßen genau geregelt. Die Strafen, die es dafür gibt, bewegen sich aber in einem sehr weiten Rahmen; beim schweren Fall der Steuerhinterziehung reicht der von einem halben Jahr Haft bis hin zu zehn Jahren. Weil das ein zu großer Spekulationsraum für das Gerechtigkeitsgefühl und die Gerechtigkeitserwartungen ist, hat die Rechtsprechung Raster entwickelt: Zwei Urteile des Bundesgerichtshofs aus den Jahren 2008 und 2012 haben für hohe Steuerhinterziehungen ein solches Raster entworfen. „Bei Hinterziehungsbeträgen in Millionenhöhe“, heißt es da, „kommt eine aussetzungsfähige Freiheitsstrafe danach nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Milderungsgründe noch in Betracht.“ Heribert Prantl, Süddeutsche Zeitung, 14.3.14 (bearbeitet) M3 Maßvoll hart, aber gerecht 25 30 35 40 5 10 15 20 Aufgaben 1. Begründen Sie, warum das Strafrecht im Rechtsstaat „ultima ratio“, also letztes Mittel, sein muss. 2. Ordnen Sie die Texte aus M1 verschiedenen Straftheorien zu. 3. Arbeiten Sie aus den Texten M2 und M3 unterschiedliche Straftheorien heraus und syste matisieren Sie diese. Begründen Sie, welcher Strafzweck im jeweiligen Fall überwogen haben dürfte. 4. Nehmen Sie vor dem Hintergrund der Strafzwecke und allgemeiner Gerechtigkeitsprinzipien Stellung zu den Urteilen in M2 und M3. 158 1596 Das Strafrecht 4.1 Die Nachfragetheorie6.1 Stellung und Bedeutung des Strafr chts Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C . B uc h r V er la gs | |
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