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Unterschiede der Werturteile Nehmen wir an, Peter und Paul entnehmen der städtischen Wasserversorgung die gleiche Menge an Wasser. Um die Wasserversorgung betreiben zu können, erhebt die Stadt von den Einwohnern Steuern oder Gebühren. Peter hat ein Jahreseinkommen von € 100.000 und wird – annahmegemäß – mit € 10.000 oder 10 % belastet, Paul hat ein Einkommen von € 20.000 und würde – wiederum angenommen – mit € 4.000 oder 20 % des Einkommens belastet. Wäre das fair? Wenn nicht: Wer bezahlt zu viel und wer zu wenig? Spielt es dabei eine Rolle, ob Pauls geringes Einkommen darauf zurückzuführen ist, dass er aus gesundheitlichen Gründen in seiner Erwerbsfähigkeit eingeschränkt ist oder weil er sich mit Aushilfsjobs über Wasser hält, da er nebenbei eine Schauspielkarriere anstrebt? Ist es von Bedeutung, ob Peters hohes Einkommen von einer großen Erbschaft stammt oder das Ergebnis vieler Überstunden mit einfacher Fließbandarbeit ist? Das sind schwierige Fragen, über die man leicht unterschiedlicher Meinung ist. Würde die Stadtverwaltung zwei Experten mit Gutachten über die geeignete Besteuerung und Gebührenbelastung der Bürger beauftragen, wäre niemand überrascht, wenn die Gutachter zu unterschiedlichen Resultaten kämen. Das einfache Beispiel lässt erkennen, warum Ökonomen manchmal uneins über wirtschaftspolitische Maßnahmen sind. Wie wir bereits aus der Behandlung normativer und positiver Analysen wissen, kann die Politik nicht allein nach wissenschaftlichen Maßstäben beurteilt werden. Wegen unterschiedlicher Werturteile kommen Ökonomen oft zu unterschiedlichen Aussagen in Gutachten. Eine Vervollkommnung der Volkswirtschaftslehre wird uns nicht zur Klärung der Frage führen, ob Peter oder Paul zu viel bezahlt. Wahrnehmung und Wirklichkeit Wegen Unterschieden des wissenschaftlichen Urteils und unterschiedlicher Werturteile sind gewisse Meinungsverschiedenheiten unter Ökonomen unvermeidlich. Doch sollte man das Ausmaß der Uneinigkeit nicht übertreiben. In vielen Fällen haben die Öko nomen einen einmütigen Standpunkt. Mankiw/Taylor 2012, S. 35 ff. Aufgaben 1. Erläutern Sie, welche der folgenden Aussagen mit einer beschreibenden bzw. positiven Geltung verbunden sind und welche mit einer bewertendnormativen: • „Man sollte nicht zulassen, dass die letzten Bestände einer seltenen Baumart gefällt werden!“ • „Abholzverbote führen zu steigenden Holzpreisen.“ • „Abholzverbote führen zu steigenden Möbelpreisen.“ • „Es ist moralisch verwerflich, Arbeitslosen nach einem Jahr Arbeitslosigkeit nur HARTZ IV zu zahlen.“ • „Gold ist schwerer als Eisen.“ 2. Nennen Sie weitere Beispiele eigener Wahl für positive und normative Aussagen. 3. Wenn Sie Regierungschef wären, würden Sie sich mehr für die positiven oder die normativen Ansichten Ihrer Wirtschaftsberater interessieren? Erläutern Sie. 4. Die Ausführungen enthalten eine Geschichte über Peter, Paul und städtisches Leitungswasser. • Sind Sie der Meinung, dass die Gebührenpolitik in dem Beispiel gerecht ist? Nehmen Sie Stellung. • Geben Sie wieder, welche zusätzlichen Informationen über Peter und Paul Sie haben möchten, ehe Sie Ihr Urteil über die Gebührenpolitik abgeben. • Halten Sie einfache Steuer und Abgabensysteme für gerechter als komplizierte? Erläutern Sie. 21Werturteil und Objektivität in der Wissenschaft Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d s C .C . B uc hn r V er la gs | |
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