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43Römisches Recht in Europa des männlichen Geschlechts mit dem weiblichen ab, ebenso die Erzeugung und Erziehung der Kinder. [...] […] Zivilrecht aber und Völkergemeinrecht [ius gentium] werden wie folgt unterschieden: Alle Völker, die durch Gesetz und Gewohnheit regiert werden, leben teils nach ihrem eigenen, teils nach dem allen Menschen gemeinsamen Recht. Denn was jedes Volk sich selbst als Recht gesetzt hat, das ist das seiner civitas, Bürgerschaft, eigentümliche Recht und wird Zivilrecht [Bürgerliches Recht] genannt, weil es das nur dieser Bürgerschaft eigene Recht ist. [...] Das römische Volk lebt mithin teils nach seinem eigenen, teils nach dem allen Menschen gemeinsamen Recht. […] Unser Recht besteht aus geschriebenem und ungeschriebenem Recht, wie auch die Griechen unterscheiden: […] Geschriebenes Recht sind das Gesetz, Plebiszite, Senatsbeschlüsse, Kaisererlasse, Edikte der Magistrate und Gutachten der Rechtsgelehrten. Zitiert nach: Okko Behrends, Rolf Knütel, Berthold Kupisch und Hans Hermann Seiler, Corpus Iuris Civilis. Die Institutionen. Text und Übersetzung, Heidelberg 1993, S. 1 3 1. Erläutern Sie das römische Verständnis von „Gerechtigkeit und Recht“. 2. Arbeiten Sie die Unterschiede zwischen Naturrecht, Völkergemeinrecht und Zivilrecht heraus. 3. Stellen Sie die Vorteile des geschriebenen dem mündlich überlieferten Recht gegenüber. M3 Römische Rechtsgrundsätze Im zweiten Teil des „Corpus Iuris Civilis“, den „Digesten“, fi nden sich diese Sätze römischer Rechtsgelehrter: • Der Praetor1 bestimmt: Was unter psychischem Zwang zustande gekommen ist, werde ich nicht für gültig erklären. • Es ist von Natur billig, dass sich niemand auf Kosten eines anderen bereichern darf. • In Zweifelsfällen ist immer die wohlwollendere Auslegung vorzuziehen. • Nicht alles, was das Recht erlaubt, ist auch moralisch einwandfrei. • Jemanden zu verurteilen, ohne ihn gehört zu haben, verbietet die Rücksicht auf die Billigkeit. • Wegen bloßer Gedanken wird niemand bestraft. • Eine Strafe wird nicht verhängt, außer wenn sie im Gesetz oder in irgendeiner Rechtsvorschrift für diese Straftat besonders angedroht ist. • Auf bloße Verdachtsmomente hin jemanden zu verurteilen, geht nicht an […]: Es sei besser, wenn einmal die Tat eines Schuldigen ungesühnt bleibt, als wenn man einen Un schuldigen verurteilt. • Die Strafe wird verhängt zwecks Besserung der Menschen. Zitiert nach: Hagen Schulze und Ina Ulrike Paul (Hrsg.), Europäische Geschichte. Quellen und Materialien, München 1994, S. 444 447 (übersetzt von Rudolf Düll und Erwin Scharr) 1. Untersuchen Sie die römischen Rechtsgrundsätze. Welche scheinen Ihnen gerecht? 2. Diskutieren Sie, welche römischen Rechtsprinzipien auch in künftigen Rechtsordnungen enthalten sein sollten. M4 Heutige Rechtsgrundsätze 1. Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch Drohung gezwungen worden ist, kann die Erklärung anfechten. Bürgerliches Gesetzbuch, § 123 2. Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt ist, bevor die Tat begangen worden ist. Grundgesetz, Artikel 103.2 3. Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Grundgesetz, Artikel 3.3 4. Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar. Strafgesetzbuch, § 23,1 5. Sind trotz Anhaltspunkten keine bestimmten Feststellungen möglich, so ist von der dem Angeklagten günstigsten Tatsachengestaltung auszugehen. Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofes in Strafsachen, Bd. 19, 1964, S. 33 1. Vergleichen Sie die Bestimmungen der Gegenwart (M4) mit den römischen Rechtsgrundsätzen (M3). 2. Erörtern Sie, inwiefern eine weithin akzeptierte Rechtsordnung auch zur Stabilität eines politischen Systems beitragen kann. 1 Praetor: Richter; die Prätoren waren für die Gerichte zuständig. 5 10 5 10 15 20 25 30 35 15 20 Nu r z ur P rü fz e ke n Ei ge nt u d es C .C . B uc hn er V er la gs | |
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