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75Herrschaftsformen und ihr Wandel M2 „Dictatus papae“ Im Jahre 1075 übermittelt Papst Gregor VII. König Heinrich IV. seine kirchenrechtlichen Grundsätze: 1. Einzig und allein von Gott ist die römische Kirche gegründet. 2. Nur der römische Papst trägt zu Recht den Titel des universalen Papstes. 3. Er ganz allein kann Bischöfe absetzen und auch wieder einsetzen. 4. Sein Legat, auch wenn er einen geringeren Grad bekleidet, führt auf jedem Konzil den Vorsitz vor den Bischöfen; er kann diese absetzen. […] 6. Von anderer Gemeinschaft ganz abgesehen, darf man mit Exkommunizierten sich nicht einmal in demselben Hause aufhalten. […] 8. Nur er verfügt über die kaiserlichen Insignien. 9. Alle Fürsten haben die Füße einzig und allein des Papstes zu küssen. 10. Nur sein Name darf in der Kirche genannt werden. 11. In der ganzen Welt gilt nur dieser Papsttitel. 12. Der Papst kann Kaiser absetzen. […] 16. Keine Synode darf ohne seine Weisung eine allgemeine genannt werden. 17. Gegen seine Autorität kann kein Kapitel und kein Buch als kanonisch gelten. 18. Sein Entscheid kann von niemandem aufgehoben werden, er selbst aber kann Urteile aller anderen Instanzen aufheben. 19. Über ihn besitzt niemand richterliche Gewalt. […] 21. Wichtigere Rechtsfälle aller Kirchen müssen vor ihn gebracht werden. 22. Die römische Kirche hat nie geirrt und wird nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift auch in Ewigkeit nicht irren. […] 25. Auch ohne Beschluss einer Synode kann er Bischöfe ein und absetzen. 26. Wer nicht mit der römischen Kirche übereinstimmt, kann nicht als katholisch [rechtgläubig] gelten. 27. Er kann Untertanen vom Treueid gegen unbillige [Herrscher] entbinden. Zitiert nach: Wolfgang Lautemann (Bearb.), Mittelalter. Geschichte in Quellen, München 21978, S. 291 f. 1. Erläutern Sie, welche Sätze des Diktates in erster Linie den Klerus betreffen und welche Punkte sich gegen die weltliche Gewalt richten. 2. Arbeiten Sie den Grundgedanken heraus, der hinter der Niederschrift des Papstes steht. M3 „Steige herab“ König Heinrich IV. spielt in seinem Schreiben vom 27. März 1076 darauf an, dass die Wahl des ehemaligen Mönches Hildebrand zum Papst Gregor VII. 1073 allein durch Zurufe des Volkes von Rom vor sich gegangen sei und im Widerspruch zum Papstwahldekret von 1059 stünde, das den Kardinälen die entscheidende Rolle bei der Wahl zuwies und ein Mitspracherecht des Königs vorsieht: Heinrich, nicht durch Anmaßung, sondern durch Gottes gerechte Anordnung König, an Hildebrand, nicht mehr den Papst, sondern den falschen Mönch: […] Um nämlich aus vielem nur einiges Wenige und Wichtige zur Sprache zu bringen: Du scheutest dich nicht nur nicht, die Lenker der heiligen Kirche, nämlich Erzbischöfe, Bischöfe und Priester, die doch Gesalbte des Herrn sind, anzutasten, nein, wie Knechte, die nicht wissen, was ihr Herr tut, zertratest du sie unter deinen Füßen und gewannst dir dabei die Zustimmung aus dem Munde des Pöbels. Sie alle erachtest du als unwissend, dich allein aber als allwissend; doch dieses Wissen bemühtest du dich nicht zum Aufbau, sondern zur Zerstörung zu verwenden. Daher glauben wir mit Recht, der heilige Gregor, dessen Namen du dir angemaßt hast, habe dies von dir prophezeit, als er sprach: „Infolge der Menge der Untergebenen wird der Geist der Vorgesetzten häufi g hochfahrend und meint, er wisse mehr als alle, wenn er sieht, dass er mehr als alle vermag.“ Und wir haben dies alles ertragen, während wir uns bemühten, die Stellung des apostolischen Stuhles zu wahren. Aber du hast unsere Demut für Furcht gehalten und dich daher nicht gescheut, dich sogar gegen die uns von Gott verliehene königliche Gewalt zu erheben; du hast zu drohen gewagt, du würdest sie uns nehmen, als ob wir von dir das Königtum empfangen hätten, als ob in deiner und nicht in Gottes Hand Königsund Kaiserherrschaft lägen. […] Auch mich, der ich – wenn auch unwürdig unter Gesalbten – zum Königtum gesalbt worden bin, hast du angetastet, mich, von dem die Überlieferung der Heiligen Väter lehrt, dass ich nur von Gott gerichtet werden darf, und versichert, dass ich wegen keines Verbrechens abgesetzt werden darf, ich wiche denn vom Glauben ab, was ferne sei. […] So steige du denn, der du durch diesen Fluch und das Urteil aller unserer Bischöfe und unser eigenes verdammt bist, herab, verlasse den apostolischen Stuhl, den du dir angemaßt hast. Zitiert nach: Wolfgang Lautemann, Mittelalter, a. a. O., S. 298 f. Erläutern Sie Heinrichs IV. Auffassung des Königtums. Vergleichen Sie mit dem „Dictatus papae“ (M2). 5 10 15 20 25 30 35 5 10 15 20 25 30 35 Nu r z ur P rü fzw ck en Ei g nt um d es C .C . B uc ne r V er la gs | |
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