Volltext anzeigen | |
95Christen, Juden und Muslime – Konfrontation, Koexistenz und Kooperation Das Abendland profi tiert vom Kulturtransfer Die Einfl üsse der byzantinischen und orientalischen Kultur auf das Abendland sind vielfältig. Ostrom war Vermittler der antiken Kunst. Es regte die abendländischen Mönche zur Miniaturmalerei bei der Illustrierung der Heiligen Schrift an. Auch die Abbildung heiliger Personen (Ikonen) und die Reliefkunst des christlichen Morgenlandes wirkten auf die Kunst des Westens ein. Entsprechendes gilt im Bereich der Musik für die Hymnik. Byzanz war aber vor allem die Schatzkammer antiker Literatur. Um die Bewahrung von Schriften antiker Autoren, die im westlichen Abendland vergessen waren, machten sich neben byzantinischen mehr noch die Gelehrten im islamischen Kulturkreis verdient. Erst im 12. Jahrhundert wurde das Gesamtwerk des griechischen Philosophen und Universalgelehrten Aris toteles im Abendland wieder bekannt, ebenso die arabischen Kommentare dazu. Aristoteles blieb die höchste Autorität in allen Wissenschaften bis ins 17./18. Jahrhundert. Aber nicht nur antike Philosophie und Naturwissenschaft oder das Wissen arabischer Astronomen und Chemiker wurde an wissbegierige Gelehrte im Westen weitergegeben. Auch indische Rechenkunst gelangte über islamische Mathematiker nach Europa. Die uns heute selbstverständlich vertrauten arabischen Zahlen unter Einbeziehung der Ziffer 0 waren für Rechenoperationen wesentlich geeigneter als die bis dahin allein gebräuchlichen römischen Zahlen und lösten diese allmählich ab. Vor allem über das islamische Spanien wurde das für die Verbreitung von Wissen wichtige Papier – ebenso wie Tinte und Tusche eine Erfi ndung aus China – in Europa bekannt. Dort hatte man zunächst Pergament zum Schreiben benutzt, das aus gegerbter Tierhaut gefertigt war. Dem Fernhandel, insbesondere den reichen und mächtigen italienischen Seestädten, kam die Nachfrage der europäischen Oberschicht nach Luxus artikeln und Gewürzen aus dem Orient entgegen. Europäische Ärzte profi tierten von der Weiterentwicklung antiker Medizin durch die Araber, die z. B. die Heilwirkung von Pfl anzen sys tematisch untersuchten und komplizierte chirurgische Eingriffe vornahmen. Vom Orient angeregt, entstanden auch im abendländischen Europa Hos pitäler. Die Bildungsbewegung des Humanismus und die Kunst der Renaissance* blühten unabhängig von arabischen Einfl üssen auf, nutzten aber ebenfalls die antiken Schriften, die sie aus der islamischen Welt und aus Ostrom bezogen. * Vgl. dazu S. 102 ff. o Christ und Muslim beim Schach. Buchmalerei aus dem 13. Jh. Das wohl in Indien erfundene Schachspiel fand im arabischen Kulturraum rasche Verbreitung. Obwohl der Prophet Mohammed Spiele grundsätzlich ablehnte, wurde es dennoch – im Gegensatz zu reinen Glücksspielen – als Strategiespiel toleriert. In karolingischer Zeit kam das Spiel nach Europa und wurde aus den gleichen Gründen von der Kirche verteidigt, während z. B. Würfelspiele grundsätzlich verboten waren. Für standesbewusste Kreuzfahrer war es ein Zeichen der Ritterlichkeit und der Anerkennung eines ebenbürtigen Gegners, wenn sich ein christlicher Ritter mit einem sarazenischen Würdenträger zum gemeinsamen Schachspiel zusammenfand. Vor allem unter den Kreuzfahrern der zweiten und dritten Generation waren solche Treffen mit muslimischen Spielpartnern nichts Ungewöhnliches. Nu r z ur P rü fzw ec ke n Ei ge nt um d s C .C . B uc hn er V e la gs | |
![]() « | ![]() » |
» Zur Flash-Version des Livebooks |