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175Die Französische Revolution – Bruch oder Kontinuität? 5 10 15 20 25 30 35 5 10 15 20 M3 Als Symbol der Moderne überstrapaziert? Der Historiker Jens Ivo Engels lehrt an der Technischen Universität Darmstadt Geschichte. In einem Aufsatz schreibt er im Jahr 2003: Die Große Französische Revolution des Jahres 1789 markiert einen der folgenreichsten Brüche in der neueren Geschichte der westlichen Welt. [...] Jedoch ist nicht zu übersehen, dass die Französische Revolution als Symbol der Moderne Gefahr läuft, überstrapaziert zu werden. Auf dem Gebiet der Politikund Staatsgeschichte und auch im Feld der Kulturhistorie fällt es leicht, Argumente für den epochalen Charakter der Französischen Revolution zu fi nden. Dies gilt jedoch in sehr viel geringerem Maße für den Bereich der Sozialund Wirtschaftsgeschichte. Nun ist die Industrialisierung mit ihren wirtschaftlichen, sozialen, aber auch kulturellen und ökologischen Folgen unbestreitbar eine der wichtigsten Grundtatsachen der Moderne. Ausgerechnet zu diesem Thema aber kann die Geschichte der Französischen Revolution wenig Erhellung bieten, und zwar sowohl auf europäischer wie auf französischer Ebene. Wohl ist es denkbar, einen Zusammenhang zwischen Wirtschaftsliberalismus und Freiheitsidealen sowie Abschaffung des Feudalismus herzustellen. Auch galten dem Schutz des bürgerlichen Eigentums viele Initiativen der Revolutionäre. Doch gingen die entscheidenden Impulse für den industriellen Take off von demjenigen europäischen Land aus, das am wenigsten von der Revolution und ihren Folgen berührt war: Großbritannien. Es spricht sogar vieles dafür, dass die Revolutionszeit Frankreichs Entwicklung auf den Gebieten Landwirtschaft, Handel, Industrie, Finanzen und Demografi e eher verlangsamte. [...] Doch in der Wirtschaftspolitik orientierten sie sich weniger am Feind als am Vorbild jenseits des Ärmelkanals. Auf dem Gebiet der Demografi e, der Wirtschaftsstruktur und selbst der Wirtschaftspolitik hatte die Revolution auch in Frankreich selbst keine oder nur geringe Wirkung von Dauer. Der Verkauf der Kirchenländereien etwa zementierte die kleinbis mittelbäuerliche Struktur auf dem Lande, die faktisch schon zuvor bestanden hatte. Ein Übergang zur marktorientierten Landwirtschaft wurde eher behindert. [...] So gilt allgemein der Befund, dass die sozialstrukturellen und ökonomischen Folgen der Revolution eher gering zu veranschlagen sind. Jens Ivo Engels, Kontinuitäten, Brüche, Traditionen. Die Französische Revolution von 1789, in: Klaus E. Müller (Hrsg.), Historische Wendeprozesse: Ideen, die Geschichte machten, Freiburg im Breisgau 2003, S. 204 230 und 314 316, hier S. 206 und 210 211 M4 Ein epochales Ereignis Der Historiker Hans-Ulrich Thamer lehrt Geschichte an der Universität Münster. In seiner Studie zur Französischen Revolution, die erstmals im Jahr 2004 erschienen ist, heißt es: Kaum ein Ereignis hat die Geschichte der Moderne so tief geprägt wie die Französische Revolution von 1789 bis 1799. Sie eröffnete eine Phase grundstürzender Veränderungen der politischen, sozialen und kulturellen Verhältnisse in Frankreich. Als ein epochales Ereignis hat die Französische Revolution weit über den nationalen französischen Rahmen hinaus tiefe Spuren in der politischen und sozialen Entwicklung anderer Länder hinterlassen. Sie wurde zum Motor des Verfassungswandels und der Entstehung liberaler politischer Kulturen. Sie wurde zum Laboratorium der Moderne, indem sie in der kurzen Spanne eines Jahrzehnts die unterschiedlichsten Verfassungsformen entwickelte, die für das 19. und 20. Jahrhundert wirkungsmächtig werden sollten, von der konstitutionellen Monarchie über die Republik bis zur bonapartistischen Diktatur; indem sie die Grundlagen einer bürgerlich-individualistischen Eigentumsund Gesellschaftsverfassung schuf; indem sie zum ersten Mal eine demokratische politische Kultur entfaltete und damit den Durchbruch zur politischen Freiheit erkämpfte; indem sie einen fundamentalen Prozess der Politisierung der Gesellschaft und der Ideologisierung der politischen Sprache auslöste und dabei zugleich die Selbstgefährdung demokratischer Ordnung demonstrierte. Ihre historisch-politische Bedeutung reicht darum bis in die Gegenwart. Hans-Ulrich Thamer, Die Französische Revolution, München 42013, S. 7 1. Arbeiten Sie aus M1 bis M4 heraus, welche Argumente die Autoren für oder gegen die These eines Bruchs anführen. 2. Zeigen Sie auf, welche Themen besonders kontrovers gesehen werden. 3. Überprüfen Sie die Stellungnahmen der Historiker anhand der Informationen im Darstellungstext auf den Seiten 162 167. Berücksichtigen Sie zum Vergleich auch die Texte aus dem Methoden-Baustein auf Seite 172 f. 4. Die Französische Revolution – Bruch oder Kontinuität? Nehmen Sie Stellung. Nu r z u Pr üf zw ec ke Ei g nt um d C .C .B uc ne r V er la gs | |
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