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• Unabhängig von allen politischen Rahmenbedingungen benötigte eine ständig wachsende Bevölkerung mehr Arbeitsplätze und Nahrungsmittel. Ein wirtschaftlicher Aufschwung sollte beides schaffen. Reformen auf dem Land Im ländlichen Bereich, wo um 1800 noch rund 80 Prozent der Menschen lebten und ihren Unterhalt verdienten, griffen die Reformen am tiefsten in die bestehenden Verhältnisse ein: • Zunächst wurden – soweit noch vorhanden – alle Formen von Leibeigenschaft und persönlicher Erbuntertänigkeit abgeschafft. Dies betraf vor allem die ostelbischen Gebiete Preußens („Oktoberedikt“ von 1807, u M3). In den süddeutschen Territorien war die persönliche Freiheit der Menschen am Ende des 18. Jahrhunderts wesentlich weniger eingeschränkt. Die preußischen Reformer pfl ügten daher die bestehenden Verhältnisse in kürzerer Zeit viel radikaler um als etwa in Bayern. Insgesamt sorgten die Reformen dafür, dass die Landbevölkerung künftig keine Heiratserlaubnis des Grundherrn mehr brauchte und nicht mehr an die Scholle gebunden war, also Wohnort und Beruf frei wählen konnte. Die Kinder der Bauern unterlagen nun nicht mehr dem Gesindezwang, der sie zur Arbeit auf dem Hof des Grundherrn verpfl ichtet hatte. • Leistungen für den Grundherrn wie Handund Spanndienste sowie Naturalabgaben wurden nicht ersatzlos abgeschafft, da sie als Gegenleistung für den überlassenen Besitz von Grund und Boden angesehen wurden. Sie konnten jedoch durch einmalige Geldleistung oder durch jährliche Raten abgelöst werden. • Auch bislang von einem Grundherrn gepachtetes Land konnte in den Besitz des Pächters übergehen. Als Gegenleistung musste er dem Grundherrn dafür je nach Gegend entweder einen Teil des Landes abtreten oder eine fi nanzielle Entschädigung zahlen. • Die bislang gemeinschaftlich genutzte Allmende wurde unter den Grundherren und den nun selbstständigen Bauern aufgeteilt. Diese Flurbereinigung wurde dazu genutzt, um die in der Regel kleinen und verstreut liegenden Feldstücke der Bauernhöfe zu größeren und damit besser nutzbaren Einheiten zusammenzulegen. • Zuletzt wurden die grundherrliche Gerichtsbarkeit (Patrimonialgerichtsbarkeit) und Polizeigewalt aufgehoben. Gewinner und Verlierer Auf den ersten Blick schienen die Grundherrn die Verlierer und die Bauern die Gewinner der Reformen zu sein. Doch dieser Eindruck bedarf der Korrektur: • Der oft für die Reformen auf dem Land benutzte Begriff der „Bauernbefreiung“ beschreibt die Vorgänge unvollständig. Nur wohlhabendere Bauern konnten die geforderte fi nanzielle Ablösung von Diensten und Abgaben leisten sowie Landabtretungen und Entschädigungen verkraften. Denn zum einen wurden viele Höfe durch die Landabtretungen auf eine unrentable Betriebsgröße verkleinert; zum anderen waren kleine und arme Bauern durch die neuen fi nanziellen Lasten, die bis zu zweieinhalb Mal so hoch sein konnten wie die früheren, bald verschuldet und mussten ihr Land an den Grundherrn oder an reichere Bauern verkaufen. Die Folgen waren, besonders in Preußen, eine weitere Besitzkonzentration und ein Rückgang der Zahl der Kleinbauernhöfe um bis zu 15 Prozent. • Da die Aufteilung der Allmende prozentual nach den aktuellen Besitzverhältnissen vorgenommen wurde, erhielten die Besitzer großer Ländereien, in der Regel die bis herigen Grundherren, den Hauptanteil und oft auch die besten Landstücke. 183Liberalisierung durch staatliche Reformen Nu r z u P üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C .B uc hn er V er la gs | |
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