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Aktiengesellschaft: Da für den Bau von Fabriken, Eisenbahnen oder Zechen enorme Kapitalmengen nötig waren, organisierten sich die meisten Unternehmen in Form von Aktiengesellschaften, bei denen sich Aktionäre über den Ankauf von Anteilen am Gründungskapital – den Aktien – am Gewinn und Verlust des Unternehmens beteiligten. Auch ausländische Kapitalgeber konnten auf diese Weise Eigentum an deutschen Firmen erwerben. Die ursprünglichen Gründerfamilien behielten zwar in der Regel einen großen Teil des Kapitals, Geschäftsführer übernahmen jedoch nun die Leitungsfunktionen, und die Gesellschaftsmitglieder konnten über ihr Stimmrecht Einfl uss ausüben. 1907 waren vier Fünftel der 100 größten deutschen Industrieunternehmen Aktiengesellschaften. Rund zwei Drittel des gesamten Kapitals befanden sich in ihren Händen. Deutschland wird Industriestaat Nach dem Krieg gegen Frankreich von 1870/71 und der Gründung des Deutschen Reiches verstärkte sich das Wachstum der deutschen Wirtschaft und Industrie noch einmal sprunghaft. Deutschland wurde nun endgültig zu einem Industriestaat. Für diesen Wachstumsschub gab es mehrere Gründe: Die Reichsgründung führte zur Entstehung eines nationalen Wirtschaftsraums, der mit einer weitgehend einheitlichen Wirtschaftspolitik geführt wurde. Durch die von Frankreich zu zahlende Kriegsentschädigung in Höhe von fünf Milliarden Goldfrancs wurde der Kapitalmarkt beträchtlich erweitert. Sowohl die Regierung wie auch Privatleute waren bereit, erhebliche Summen in die Wirtschaft zu investieren. Insbesondere die Schwerindustrie, der Maschinenbau, die Eisenbahnen und die Bauwirtschaft profi tierten davon. So wuchs allein die Roheisenproduktion in den Jahren zwischen 1870 und 1873 um 61 Prozent. Zusätzliche Impulse erhielt die Wirtschaft durch eine Gesetzesänderung, die es erleichterte, Aktiengesellschaften zu gründen. Dies führte innerhalb kürzester Zeit zur Gründung einer Vielzahl von Banken (z. B. Darmstädter Bank für Handel und Industrie, 1853; Deutsche Bank, 1870), Eisenbahngesellschaften, Bauund Montan unternehmen. So wurden in der Zeit von 1871 bis 1873 im Deutschen Reich 928 neue Aktiengesellschaften gegründet, wesentlich mehr als in den zwanzig Jahren zwischen 1850 und 1870. Aktiengesellschaften hatten durch die Beteiligung der Aktionäre mehr Kapital zur Verfügung und konnten daher größere Investitionen tätigen. Vom Gründer-Boom zur „Gründerkrise“ Dieses rasante Wachstum erlebte 1873 einen jähen Einbruch, der durch eine Börsenkrise ausgelöst wurde („Gründerkrise“). Der Optimismus der Unternehmer und Aktionäre hatte dazu geführt, dass die Produktionsmittel erweitert wurden und die Aktienkurse wegen der großen Nachfrage stark stiegen. Als sich die Spekulationen als überzogen herausstellten, kam es weltweit zu erheblichen wirtschaftlichen Problemen und zu Konkursen von Unternehmen. In Deutschland wurden bis 1876 61 Banken, vier Eisenbahngesellschaften und mehr als 100 Industrieunternehmen zahlungsunfähig. Dem Kurssturz an den Börsen folgte eine längere Phase der wirtschaftlichen Entwicklung, die geprägt war von einem deutlich abgeschwächten Wachstum, sinkenden Preisen und Unternehmergewinnen, Produktionsrückgängen und zunehmender Arbeitslosigkeit. Historiker sprechen daher von den Jahren 1873 bis 1895 als Zeit der „Großen Depression“. Die Krise bewirkte ein Umdenken. Der Staat sollte eine aktivere Rolle in der Wirtschaftsund Finanzpolitik spielen. Die Eisenbahnen wurden verstaatlicht, Marktpreise i Das Werk Leverkusen (Bayer AG). Ölgemälde von Otto Bollhagen (183 x 580 cm), 1912 1921 (Ausschnitt). Es wurde für das Konferenzzimmer des Direktors in Auftrag gegeben. p p Das Gemälde entspricht der für diese Zeit typischen Pano ramadarstellungen von Werkanlagen. Analysieren Sie die charakteristischen Merkmale des Bildes und beurteilen Sie seine Wirkungsabsicht. 191Vom industriellen Aufbruch zur Industriegesellschaft Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C .B uc hn er V rla gs | |
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