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269Außenpolitik von Bismarck zu Wilhelm II. recht umgeworfen, sie haben in einer in der Weltgeschichte nicht erhörten Weise der Heiligkeit des Gesandten, den Pfl ichten des Gastrechts Hohn gesprochen. Es ist das umso empörender, als dies Verbrechen begangen worden ist von einer Nation, die auf ihre uralte Kultur stolz ist. Bewährt die alte preußische Tüchtigkeit, zeigt euch als Christen im freundlichen Ertragen von Leiden, möge Ehre und Ruhm euren Fahnen und Waffen folgen, gebt an Manneszucht und Disziplin aller Welt ein Beispiel. Ihr wißt es wohl, ihr sollt fechten gegen einen verschlagenen, tapferen, gut bewaffneten, grausamen Feind. Kommt ihr an ihn, so wißt: Pardon wird nicht gegeben. Gefangene werden nicht gemacht. Führt eure Waffen so, daß auf tausend Jahre hinaus kein Chinese mehr es wagt, einen Deutschen scheel anzusehen. Wahrt Manneszucht. Der Segen Gottes sei mit euch, die Gebete eines ganzen Volkes, Meine Wünsche begleiten euch, jeden einzelnen. Öffnet der Kultur den Weg ein für allemal! Nun könnt ihr reisen! Adieu Kameraden! Die inoffi zielle, aber korrekte Version der entscheidenden Textpassage lautete wie folgt: Kommst ihr vor den Feind, so wird derselbe geschlagen! Pardon wird nicht gegeben! Gefangene werden nicht gemacht! Wer euch in die Hände fällt, sei euch verfallen! Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht, der sie noch jetzt in Überlieferung und Märchen gewaltig erscheinen lässt, so möge der Name Deutscher in China auf 1000 Jahre durch euch in einer Weise bestätigt werden, dass es niemals wieder ein Chinese wagt, einen Deutschen scheel anzusehen!“ Erster Text: Die Reden Kaiser Wilhelms II., hrsgg. v. Johannes Penzler. Bd. 2: 1896 1900. Leipzig o. J., S. 209 212. Zweiter Text: Manfred Görtemaker: Deutschland im 19. Jahrhundert. Entwicklungslinien, Opladen 1996. (Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Bd. 274), S. 357 1. Analysieren Sie die Rede sprachlich und inhaltlich. 2. Ordnen Sie die Rede in den Kontext des Imperialismus ein. 3. Vergleichen Sie die offi zielle und die inoffi zielle, d. h. nicht veröffentlichte Passage miteinander. M4 Deutsche „Weltpolitik“ aus britischer Perspektive Der englische Historiker Rolf Hobson befasst sich mit der um 1896/97 einsetzenden neuen deutschen Außenpolitik: Die wachsende deutsche Flotte stellte [für die Engländer] dann eine potenzielle hegemonielle Drohung und einen Grund zur Sorge über die Absichten des Reiches dar, wenn man sie zusammen mit der machtvollen deutschen Armee betrachtet und vor dem Hintergrund eines lautstarken Nationalismus und einer unberechen baren Außenpolitik sieht. In diesem Sinne trug der Tirpitz-Plan1 dazu bei, diejenige Konstellation unter den Großmächten herbeizuführen, die den Ersten Weltkrieg in erster Linie zu einem Kampf gegen eine deutsche Hegemonie in Europa machten. Der große Flottenwettlauf […] brachte die englische öffentliche Meinung in wachsendem Ma ße dazu, ein Engagement auf dem Kontinent zu akzeptieren. Er verstärkte das Gewicht der militärischen Faktoren in den Kalkulationen der Kabinette und engte den Raum für diplomatische Manöver ein. […] Die vier wichtigsten Gründe für den englisch-deutschen Antagonismus waren in chronologischer Reihenfolge die ökonomische Konkurrenz, koloniale Rivalität, der Rüstungswettlauf und die Aussicht, dass die deutsche Armee Frankreich besiegen könnte. Die meisten Historiker würden darin übereinstimmen, dass die Drohung einer kontinentalen Hegemonie durch die Ausschaltung Frankreichs aus der balance of power als die wichtigste Bedrohung der britischen nationalen Sicherheit betrachtet wurde. Sie selbst hätte automatisch eine Intervention gegen Deutschland in einem Krieg nach sich gezogen. Die deutschen Anhänger des Flottenbaus glaubten hingegen, dass die wirtschaftliche Konkurrenz […] England dazu bewegen würde, einen präventiven Handelskrieg zu entfesseln. Gegen diese Bedrohung war es notwendig, eine starke Abschreckung zur Verfügung zu stellen, nämlich die „Risikofl otte“. Rolf Hobson, Imperialism at Sea. Naval Strategic Thought, the Ideology of Sea Power and the Tirpitz Plan, 1875 1914, Boston 2002, S. 325 328 (übersetzt von Boris Barth) 1. Arbeiten Sie anhand der Schilderung Hobsons die Grundzüge der deutschen Außenpolitik heraus. 2. Analysieren Sie die Absichten dieser Politik. 3. Erläutern Sie, mit welchen Folgen die deutsche Politik zum einen hinsichtlich der Haltung Großbritanniens und zum anderen hinsichtlich der internationalen Politik insgesamt zu rechnen hatte. 25 30 35 40 45 5 10 15 20 25 30 1 Admiral Alfred von Tirpitz (1849 1930) war seit 1897 Staatssekretär des Reichsmarineamtes. Sein Plan zum massiven Ausbau der deutschen Schlachtfl otte wird als „Tirpitz-Plan“ bezeichnet. Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C .B uc n r V er la gs | |
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