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Geschichte – mehr als Daten und Fakten? Die Geschichte vom Schnäuzen und der Verwendung des Taschentuchs soll anhand von Beispielen aus Europa vom Mittelalter bis in die Neuzeit verdeutlicht werden. 13. Jahrhundert Wenn du dich schnäuzt oder hustest, dreh dich um, damit nichts auf den Tisch fällt. (Der italienische Dichter Bonvesin da la Riva (Bonvicinus de Ripa): Cinquantacortesie da tavola [50 Höfl ichkeiten zu Tisch], ca.1290 1300, zitiert nach: Norbert Elias, Über den Prozeß der Zivilisation, Bd. 1, Frankfurt am Main 1979, S. 194) 15. Jahrhundert Schnäuze nicht die Nase mit der gleichen Hand, mit der du das Fleisch hältst. (Aus dem mehrfach aufgelegten Erziehungsbuch für Kinder eines anonymen Autors, „S’ensuivent les contenances de la table“, Ende des 15. Jh.) 16. Jahrhundert Sich mit dem Hut oder mit dem Rock zu schnäuzen ist bäurisch, und mit dem Arm oder dem Ellenbogen machen es die Köche. Es ist nicht höfl ich, wenn du dich mit der Hand schnäuzt und den Auswurf hinterher an den Rock wischt. Es ist wohl, wenn du dich mit dem Fatzenetlein* schnäuzt und dich auf die Seiten wendest. Wenn du kein Fatzenetlein hast, so schnäuze dich mit zwei Fingern und wirf’s auf die Erde und tritt bald mit einem Fuß darauf. (Der Philosoph und Pädagoge Erasmus von Rotterdam, Zuchtbüchleyn Erasmi vor die jungen Knaben, Lipsia 1532, S. A IIII [ins Hochdeutsche übertragen]) 18. Jahrhundert Es ist ungezogen, sich mit der nackten Hand die Nase zu putzen und sie unter die Nase zu führen oder sich mit dem Ärmel oder Gewand zu schnäuzen. Es ist sehr konträr zum Wohlverhalten, mit zwei Fingern zu schnäuzen und dann den Dreck auf den Boden zu werfen und sich dann die Hände am Gewand zu säubern. […] Es gibt einige, die einen Finger gegen die Nase drücken und dann lospusten, um den Nasendreck auf die Erde zu schleudern. Diese Leute wissen nicht, was Anstand ist. Man muss sich immer seines Taschentuchs bedienen und niemals mit etwas anderem, indem man dabei sein Gesicht mit dem Hut bedeckt … Man muss auch vermeiden, beim Schnäuzen Lärm zu verbreiten. Vor dem Schnäuzen ist es unhöfl ich, lange an seinem Taschentuch zu ziehen. (Der Pädagoge Jean-Baptiste De la Salle, Les Règles de la Bien-séance et de la Civilité Chrétienne, Rouen 1729, S. 23, übersetzt von Rolf Schulte) 20. Jahrhundert Herren tragen das Taschentuch in der äußeren Brusttasche oder in einer sonstigen Rocktasche, nie dagegen in der Tasche des Beinkleides. Der Herr wählt für die äußere Brusttasche meist ein buntes Taschentuch, das zu Anzug und Krawatte abgestimmt ist. Spitzenhandtücher wirken bei Herren weibisch. Damen tragen das Taschentuch im Handtäschchen oder in einem etwa vorhandenen Täschchen des Kleides oder Mantels * Fatzenetlein: Schnupftuch 27Geschichte – mehr als Daten und Fakten? Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C .B uc hn er V er la gs | |
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