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Formale Kennzeichen Die Kleiderordnung ist Teil einer auf dem Augsburger Reichstag 1530 von den Reichsständen festgelegten und von Kaiser Karl V. verkündeten Rechtsordnung (Reichsabschied), die überall im Heiligen Römischen Reich gelten sollte. Textinhalt Mit Abschnitt IX. des Reichsabschiedes von 1530 wird die Kleiderordnung eingeleitet. Diese legt für alle (hier nur zum Teil aufgeführten) Stände und hier für die Ränge der Stadtbewohner Bekleidungsvorschriften fest. Die Bestimmungen schreiben jedem Rang genau vor, welche Tuchund Pelzsorte in welcher Qualität und welcher Verarbeitung, welche Kopfbedeckung und welchen Schmuck seine Zugehörigen zu welchem Preis tragen durften. Je höher der Rang, desto höher durften Qualität und Menge der Stoffe und Pelze, des Schmucks und der Accessoires sein. Mit der Kleiderordnung nahm der Reichstag auch eine Dreiteilung der städtischen Gesellschaft vor: unten die „gemeinen“, d. h. die einfachen Bürger und Handwerker, an zweiter Stelle die Kaufl eute und Gewerbetreibenden und an der Spitze der städtischen Gesellschaft die Ratsbürger und Geschlechter. Ihr Vorrang zeigt sich in dem exklusiven Recht, hochwertige Pelze, Stoffe und Goldschmuck tragen zu dürfen, was dem Rang darunter, den „Kauffund Gewerbs-Leuten“, nur eingeschränkt erlaubt und den einfachen Bürgern und Handwerkern vollständig verboten war. Diese hatten sich mit schlichter Kleidung aus heimischen Erzeugnissen zu begnügen. Die Kleiderordnung schließt mit dem Befehl an die Obrigkeiten, für die Durchsetzung und Einhaltung der Vorschriften in ihren Herrschaftsbereichen zu sorgen. Wer die Verbote umging und zu kostbare, nicht standesgemäße Kleidung trug, dem sollte diese abgenommen und eine Geldbuße in doppelter Höhe ihres Wertes auferlegt werden. Falls die Obrigkeiten ihren Pfl ichten zur Durchführung der kaiserlichen Gesetze nicht nachkamen, war der Kaiser befugt, sie zur Rechenschaft zu ziehen. Historischer Kontext Kleiderordnungen gab es seit dem Spätmittelalter. Seit etwa 1500 waren sie Gegenstand des Reichstages. Bei dem Reichsabschied von 1530 handelt es sich um die erste umfassende „Policey-Ordnung“ des Heiligen Römischen Reiches, eine Art Strafgesetzbuch, dessen Regelungen jedoch weit in den Alltag der Menschen hineinreichten. Der um 1500 aufgekommene Ausdruck „Policey“ bezeichnete alle von der weltlichen Obrigkeit zu handhabenden Maßnahmen, die im öffentlichen wie im privaten Leben das Wohl und die Sicherheit der Untertanen fördern sollten. Mit der Zunahme der Policey-Gesetzgebung wurden auch die Kleiderordnungen immer ausführlicher und umfangreicher. Intention und Wirkung Die Einleitung der Kleiderordnung nennt deren Absicht: die Stände durch ihre Kleidung klar voneinander zu scheiden und jedem seinen Platz in der Gesellschaft zuzuweisen. Dies sollte das Vortäuschen einer „unstandesgemäßen“ Stellung verhindern, sündhafte Verschwendung verdammen, der Verschuldung der Bürger vorbauen und Ausgaben für ausländische Luxusgüter eindämmen. Die Kleiderordnungen bewirkten jedoch nicht nur, dass sich die unteren Stände und Ränge auf einfache Kleidung und einen bescheidenen Lebensstil beschränken mussten, sondern zwangen die Angehörigen der oberen umgekehrt dazu, einen für sie „anständigen“ hohen Aufwand zu betreiben, der viele Familien in den Ruin führte. Da Kleidung den gesellschaftlichen Rang und die soziale Stellung wiedergab, wurde sie auch zur Ausgrenzung und Ächtung von Gruppen benutzt. Daher waren die Juden laut Abschnitt XXII. Paragraf 1 der Kleiderordnung durch das Tragen eines gelben Ringes an der Kleidung zur Unterscheidung von den Christen verpfl ichtet. Einordnung und Bewertung Die Kleiderordnung zeigt, dass die Obrigkeiten sich veranlasst sahen, ordnend und reglementierend einzugreifen, um die eigenen politischen, wirtschaftlichen, sozialen und religiösen Herrschaftsansprüche durchsetzen zu können. Reichsstände: reichsunmittelbare, d. h. dem Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation direkt unterstellte geistliche und weltliche Herrscher, die über eigene Territorien verfügten, sowie die freien Reichsstädte. Die Reichsstände hatten Sitz und Stimme im Reichstag und tagten in drei Kollegien (Kurien): dem Kurfürstenrat, dem Reichsfürstenrat und dem Rat der Reichsstädte. Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation: seit 1512 gebräuchliche Gesamtformel für den Herrschaftsbereich des von den Kurfürsten (seit 1356 sieben, ab 1648 acht) gewählten römisch-deutschen Kaisers und der ihm verbundenen Reichsterritorien. Das Heilige Römische Reich wurde trotz Kaiser nie zentral regiert. Es zerfi el Anfang des 19. Jh. 31Schriftliche Quellen analysieren Nu r z u Pr üf zw ck en Ei g nt um d es C .C .B uc hn er V er la gs | |
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