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Aus Nachbarn werden Verfolgte Das meist friedliche Zusammenleben der Juden und Christen änderte sich durch die Kreuzzüge. Die Wut der Kreuzfahrer, die sich seit 1096 in wilden Horden und in einem riesigen Heereszug in das Heilige Land aufmachten, wandte sich zunächst gegen die Juden. Diese wurden als die ersten und wahren Feinde Christi verschrien, ausgeraubt, zur Taufe gezwungen oder umgebracht. Ganze Judengemeinden wurden vernichtet. Die ersten Überfälle auf jüdische Gemeinden gab es in Frankreich. In Deutschland war die Gewalt gegen die Juden besonders brutal: Die jüdischen Gemeinden von Worms, Mainz, Trier, Metz, Köln, Neuss und Xanten fi elen Pogromen zum Opfer (u M2). Etwa 5 000 Menschen wurden in ganz Europa umgebracht. Seitdem nahm die Rechtsunsicherheit der Juden im Abendland zu. Bischöfe und Kaiser konnten die Pogrome nicht verhindern. 1236 erklärte Kaiser Friedrich II. die Juden zu „Knechten seiner Kammer“; gemeint war seine Schatzkammer. Sie mussten den kaiserlichen Schutz mit hohen Abgaben bezahlen und waren rechtlich dem Kaiser unterstellt. Dieses einträgliche Judenregal vergaben die Herrscher später häufi g an Fürsten und städtische Obrigkeiten. Der englische König zwang 1290 sogar alle Juden, die Insel zu verlassen, nachdem sie durch ausbeuterische Steuerpolitik verarmt waren und nicht länger fi nanziell ausgenutzt werden konnten. Ab 1306 setzte auch in Frankreich eine Vertreibungswelle ein. Endgültig des Landes verwiesen wurden die Juden hier 1394. In den großen Pogromen der Pestzeit (1347 1352) erreichten Ausgrenzung und Verfolgung im Reich einen ersten Höhepunkt. Religiöse Vorurteile und Verleumdungen von Ritualmorden, Hostienschändungen und Brunnenvergiftungen lösten zahlreiche Ausschreitungen gegen Juden aus. Hinzu kamen wirtschaftliche Motive wegen des „Judenwuchers“ im Kreditund Pfandgeschäft, in dem viele Juden arbeiteten, da sie von Ämtern, Gilden, Zünften, Schulen und Universitäten ausgeschlossen waren. Gegen hohe Abgaben übernahm die Obrigkeit zwar den Judenschutz, doch an deren gesellschaftlicher Stellung änderte das wenig. Oft genug geschahen Vertreibungen und Pogrome mit Wissen der für den Judenschutz Verantwortlichen. Seit dem 15. Jahrhundert wurde die jüdische Bevölkerung in mehreren Wellen aus Reichsstädten und Territorien ausgewiesen. Am Ende des 16. Jahrhunderts gab es größere Judengemeinden nur noch in Prag, Worms, Friedberg und Frankfurt am Main. Wo man auf die Ausweisung verzichtete, wurden die Juden in Ghettos oder verschließbare Judengassen abgedrängt. Sie mussten hohe „Schutzgelder“ und andere Abgaben zahlen. „Judenordnungen“ und Kleidervorschriften schränkten das Leben weiter ein. Vor allem das seit 1530 vorgeschriebene Tragen des „gelben Flecks“ stigmatisierte die Juden öffentlich. Viele Überlebende der Pogrome wanderten nach Osteuropa aus. Dort lebte im Jiddischen eine auch vom mittelalterlichen Deutsch abgeleitete Sprache fort. Zahlreiche verfolgte und ausgewiesene Juden fanden aber auch in kleinen Landgemeinden Südund Mitteldeutschlands Zufl ucht. Da ihnen nahezu alle Berufe versperrt waren, verdienten viele Juden ihren Lebensunterhalt als Viehhändler, als Hausierer mit Stoffen und Kleidung, oder sie zogen als Trödelund Betteljuden durch die Lande. Als Kreditgeber und Einnahmequelle blieben sie unverzichtbar. Deshalb durften sie sich nach den Verfolgungen auch in vielen Städten wieder niederlassen. i Vorurteile gegen Juden. Abbildung aus der Schedelschen Weltchronik von 1493. Seit dem Ende des 12. Jh. kursierte in Europa das Gerücht, die Juden ermordeten Kinder, um ihnen das Blut für Zaubertränke abzuzapfen. In Wahrheit war gerade den Juden der Umgang mit Blut durch ihre religiösen Gesetze streng verboten. Daher betonte schon ein Gutachten für Kaiser Friedrich II. die Haltlosigkeit der Ritualmordlüge. p Erklären Sie, inwieweit in dieser Darstellung der Juden Vorurteile sichtbar werden. Pogrom (russ.: Zerstörung, Verwüstung): im 19. Jh. auch in andere Sprachen übernommener Begriff für gewaltsame Ausschreitungen gegen religiöse oder ethnische Gruppen, besonders gegen Juden Filmtipp: Karl IV. und der Schwarze Tod, ZDF-Reihe „Die Deutschen“, Folge 4, 2010 45Christliche und islamische Welt Nu zu Pr üf zw ec ke n Ei g nt um es C .C .B uc hn er V er la gs | |
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