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23Modernisierungsschübe: Renaissance und Frühkapitalismus Modernisierungsschübe: Renaissance und Frühkapitalismus Die Renaissance, der Beginn der Moderne Das französische Wort Renaissance bedeutet „Wiedergeburt“ und kennzeichnet das Wiederaufl eben der antiken Kultur an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit. Der Begriff wird daneben auch auf alle Versuche zur Wieder belebung früherer Stilund Kulturepochen angewendet. Unter Renaissance als einer historischen Epoche verstehen Historiker die Ära von etwa 1350 bis 1600 (u M1). In dieser Zeit versuchten die Europäer systematisch, das gesamte Wissen der alten Griechen und Römer zu erfassen, um es weiterzuführen und in Wissenschaft, Kunst, Religion und Politik zu nutzen. Die Leistungen der Antike galten als „klassisch“, also als vorbildlich. Die Renaissance war damit im Kern eine Bildungsbewegung, die die Lebenswelt der Menschen tief greifend veränderte. Die Wiederentdeckung der Antike im 14. Jahrhundert wird als der Beginn der Moderne gesehen, weil sich ein fundamentaler Wandel vollzog. Im Mittelalter dominierte die Überzeugung, dass Wissenschaft und Kunst vor allem dem christlichen Glauben zu dienen hatten. Die Renaissance machte stattdessen die Lebenswelt des Menschen zum Gegenstand eines vorurteilsfreien Denkens und kreativen Gestaltens. Genau deshalb sehen Historiker diese Epoche als Zeitenwende. Gelehrte und Künstler wollten nun die sichtbare Welt aus sich selbst heraus verstehen. Die Erklärung, dass Gott sie so gewollt habe, genügte ihnen nicht mehr. Das neue Weltbild Das neue Denken führte zu einem neuen Weltbild. Das christliche Mittelalter sah den Menschen in eine gottgewollte, unwandelbare Ordnung (lat.: ordo) gestellt, in die er sich zu fügen hatte. Auch Leid hatte er hinzunehmen, die Ungleichheit der Menschen, Gewalt und Not. Die Erlösung kam erst im Jenseits. In der Renaissance dagegen sahen Künstler und Gelehrte den Menschen als Gestalter seiner Lebenswelt. Damit wandten sie sich nicht vom Evangelium ab, aber von der Auslegung der Kirche, dass der Mensch allein für sein Seelenheil lebe. Das Denken der Renaissance sprach dem Menschen eine eigene Würde zu und die Kraft, die Welt zu verändern. Es entwarf damit eine menschengewollte, dyna mische Ordnung. Italien: die Wiege der Renaissance Die Renaissance entfaltete sich zuerst in italienischen Städten und wurde im 16. Jahrhundert zur europäischen Bewegung. Warum begann sie gerade in Italien? • In Italien erlosch das Erbe der Antike nie. Tempel, Paläste, Arenen und Wohnhäuser hatten das Jahrtausend seit der Römerzeit überdauert, auch wenn sie zerfi elen. Das Lateinische blieb neben den italienischen Dialekten unter den Gebildeten in Gebrauch. • Italien litt zwar seit 1350 un ter wiederkehrenden Pestepidemien und Kriegen, zugleich aber nahmen Handel und Wirtschaft einen ungeahnten Aufschwung. Bürger kamen zu Reichtum und Macht, alte Adelsgeschlechter verarmten. Eine neue Elite entstand, die niveauvolle Bildung und Kunst schätzte. • Diese Elite befasste sich mit Philosophie, Rhetorik, Literatur, Geschichte und Recht. Gelehrte sammelten Texte antiker Schriftsteller, die in Abschriften überliefert waren, und verviel fältigten sie. Architekten, Bildhauer und Maler hatten den Ehrgeiz, Kunstwerke im Geist der antiken Klassik zu schaffen. Den Auftrag dazu gaben i „David.“ Statue von Michelangelo, 1501-1504. Die fast sechs Tonnen schwere Figur war ursprünglich für eine Kirchenfassade gedacht. Sie fand dann aber ihren Platz vor dem Regierungsgebäude von Florenz. Das Original befi ndet sich heute in der Galleria dell’ Accademia. Michelangelo schuf die erste nachantike Kolossalfi gur aus Marmor (5,17 m hoch). Er bildete David anders als üblich nicht als Sieger, sondern vor dem Kampf mit Goliath ab. Die Gestaltung weicht provozierend von der antiken Klassik ab mit übergroßen Händen und Füßen, plastisch hervortretenden Adern und sichtbaren Muskeln. Nebenbei: Die biblische Figur des David diente mehreren Renaissancekünstlern als Motiv. Mit dem Hirtenjungen David erinnerte man die mächtigen Fürsten an die Stärke und Kampfbereitschaft der kleinen städtischen Führungsschicht. Zur Rolle der Städte siehe Seite 38 40. 32015_1_1_2015_Kap1_008-081.indd 23 01.04.15 10:57 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um de s C .C . B uc hn er V er la gs | |
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