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323 Zwischen Anpassung und Widerstand Zwischen Anpassung und Widerstand Anpassung, Opposition, Widerstand Eine breite Widerstandsbewegung gegen das NS-Regime hat es nicht gegeben. Hitlers Herrschaft wurde über viele Jahre von einer großen Mehrheit des deutschen Volkes akzeptiert. Selbst in Kreisen, die keine enge Identifi kation mit den Zielen und Wertmaßstäben der Nationalsozialisten aufbrachten, verließen sich die meisten auf die politische Führung und arrangierten sich mit dem NS-Staat. Durch die wirtschaftlichen und politischen „Erfolge“ gelang es dem Regime immer wieder, bei großen Teilen der deutschen Bevölkerung Zustimmung und Begeisterung hervorzurufen. Erst die Kriegserfahrung, vor allem die Bombardierung deutscher Städte, ließ bei den meisten die Begeisterung in stille Resignation umschlagen. Neben der Begeisterung für das System und dem bloßen Mitmachen gab es jedoch in allen sozialen Schichten immer Gruppen und Einzelpersonen, die sich nicht mit der NS-Herrschaft abfi nden wollten und ihre Ablehnung auf andere Weise, etwa durch passive Verweigerung oder nonkonformes, d. h. unangepasstes Verhalten ausdrückten. Das Verweigern des Hitler-Grußes, die Umgehung einzelner Gesetze oder das Hören ausländischer „Feindsender“ zeigen, dass die „Volksgemeinschaft“ nicht so geschlossen war, wie es die Propaganda zu vermitteln suchte. Nur eine Minderheit hatte den Mut, Maßnahmen der NS-Herrschaft öffentlich zu kritisieren oder nicht zu befolgen, noch weniger wagten es, Juden und anderen Verfolgten zu helfen oder das Regime zu bekämpfen. Zwischen der stillen Verweigerung und der Planung und Durchführung eines Umsturzes gab es eine Vielzahl von Abstufungen (u M1). So differenziert die Motive des Widerstandes auch waren, gemeinsam war allen Gruppierungen der feste Glaube an ethische Grundnormen, der ihnen die Kraft zu einem eigenverantwortlichen Denken gab. Nachfolgende Generationen haben den Zeit genossen immer wieder vorgeworfen, kaum und viel zu spät Widerstand gegen das NS-Regime geleistet zu haben. Dass die Erfolge des Widerstandes bescheiden blieben, lag vor allem am fehlenden Rückhalt in der Bevölkerung und an der Brutalität, mit der die Nationalsozialisten jede Opposition im Keim zu ersticken suchten. Hinzu kam die Heterogenität der Widerstandsgruppen. Nach der frühen Zerschlagung der Arbeiter bewegung waren es Einzelpersonen und kleine isolierte Gruppen unterschiedlicher Herkunft und Ausrichtung, die den Mut zum Protest fanden. Widerstand bedeutete Gefahr, nicht nur für die eigene Person, sondern auch für Familie und Freunde. Unzählige Widerstandskämpfer bezahlten ihren Einsatz mit dem Leben. Ziele und Formen Die letzte Übersteigerung des NS-Regimes seit Beginn des Zweiten Weltkrieges hatte zwar viele von der Notwendigkeit der Gewalt gegen die Diktatur überzeugt, aber auf die Frage „Was dann?“ gab es keine eindeutige Antwort. Die Vorstellungen der politischen Zukunft reichten von der Errichtung einer Monarchie oder eines ständischen Staates über verschiedene demokratische Staatsformen bis hin zu einer kommunistischen Gesellschaft. Einzelpersonen, lose Gesprächskreise oder Verschwörergruppen arbeiteten auf sehr verschiedene Weise, meist ohne gegenseitige Kontakte wegen des hohen Risikos eines Verrates. Es wurden Flugblätter verteilt, Gegenparolen an die Hauswände belebter Straßen geschrieben, ausländische Sender abgehört und regimefeindliche Nachrichten verbreitet. In Rüstungsbetrieben kam es zu Arbeitsniederlegungen und Sabotage akten. Trotz NS-Terror und Lebensgefahr gab es Männer und Frauen, die verfolgten Juden halfen, sie versteckten oder auf andere Weise vor dem sicheren Tod zu bewahren Lesetipps p Wolfgang Benz (Hrsg.), Lexikon des deutschen Widerstandes, Frankfurt am Main 32008 p Arno Lustiger, Rettungswiderstand. Über die Judenretter in Europa während der NSZeit, Göttingen 2011 p Gerd R. Ueberschär, Für ein anderes Deutschland. Der deutsche Widerstand gegen den NS-Staat 1933 1945, Frankfurt am Main 22006 32015_1_1_2015_Kap3_260-351.indd 323 01.04.15 11:00 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C . B uc n r V er la gs | |
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