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335 Aufarbeitung von Schuld und Verantwortung Aufarbeitung von Schuld und Verantwortung NS-Prozesse: Beginn einer Aufarbeitung? Nach 1945 stand die Frage nach der Schuld im Vordergrund. Opfer und Befreier stellten zunächst die Kollektivschuldthese auf, nach der das gesamte deutsche Volk für die Verbrechen Verantwortung trage. Die Deutschen sollten sich mit ihrer Vergangenheit und den Folgen der Hitler-Diktatur auseinandersetzen. Die Alliierten veröffentlichten Bilder und Berichte aus den Konzentrationslagern und zwangen die Bewohner der nahe gelegenen Städte, die Lager und die Opfer anzusehen. In dieser ersten, bis 1949 reichenden Phase des Umgangs mit der NS-Vergangenheit – der „Phase der politischen Säuberung“ (Norbert Frei) – übernahmen die Siegermächte die Ahndung der nationalsozialistischen Verbrechen. Von November 1945 bis Oktober 1946 brachten sie die Hauptkriegsverbrecher – 21 ehemalige hohe Parteiführer, Minis ter und Generäle – vor ein internationales Militärgericht (Nürnberger Prozess). Nach fast einjähriger Verhandlung wurden zwölf Angeklagte zum Tode verurteilt, sieben erhielten lange Haftstrafen, drei wurden freigesprochen. In allen vier Besatzungszonen fanden zwischen 1945 und 1949 zahlreiche weitere Prozesse gegen mutmaßliche NS-Täter statt. Der Nürnberger Prozess mit seinen hunderten von Zeugen, tausenden Beweisdokumenten und erschütternden Fotos und KZ-Filmen, die britische und amerikanische Truppen bei der Befreiung gemacht hatten, trug maßgeblich zur Aufhellung der Geschichte des NS-Regimes bei. Ein nachträgliches Bemänteln und Beschönigen der nationalsozialistischen Verbrechen ist seitdem unmöglich. Allerdings dienten die NSProzesse auch vielen Deutschen als Entlastung: Während die noch lebenden, vormals führenden Kräfte des NS-Regimes vor Gericht standen, glaubte sich die Bevölkerung von der Frage einer Mitverantwortung entbunden. Entnazifi zierung und Umerziehung Neben der Aburteilung der Kriegsverbrecher gehörte auch eine umfassende politische Säuberung zum Entnazifi zierungskonzept der Alliierten im besetzten Deutschland. Ehemalige NS-Aktivisten sollten aus Ämtern entfernt und bestraft werden. Anders als Briten und Franzosen betrieben die Amerikaner die Entnazifi zierung mit großer Strenge und einem gewaltigen bürokratischen Aufwand. Insgesamt waren in den Westzonen über 500 000 Männer und Frauen von Massenentlassungen betroffen; mehr als 170 000 NS-Aktivisten wurden in Internierungslager gebracht („automatischer Arrest“), die meisten von ihnen aber bald wieder entlassen – die letzten 1948. In der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) waren über eine halbe Millionen Menschen aus dem berufl ichen und öffentlichen Leben ausgeschaltet worden. Anders als i Konfrontation mit den Verbrechen. Foto vom 16. April 1945. Die Täter und Mitläufer, die Sieger und Richter, die Opfer und Zeugen: Auf Befehl des US-Generals George S. Patton mussten sich etwa tausend Weimarer Bürger das gerade befreite KZ Buchenwald ansehen. Lesetipp Jörg Osterloh und Clemens Vollnhals (Hrsg.), NS-Prozesse und deutsche Öffentlichkeit. Besatzungszeit, frühe Bundesrepublik und DDR, Göttingen 2011 32015_1_1_2015_Kap3_260-351.indd 335 01.04.15 11:01 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C . B uc hn er V er la gs | |
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