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3573.2 Die Weimarer Republik und ihre Bürger Dass die Lebenswirklichkeit von den Vorgaben der Grundrechte abwich, verdeutlicht die Situation der Frauen in der Weimarer Republik. Nach der Reichsverfassung hatten Frauen und Männer nun „grundsätzlich dieselben staatsbürgerlichen Rechte und Pfl ichten“ (Art. 109). Aber weder auf dem Arbeitsmarkt, wo Frauen für die gleiche Arbeit weniger Lohn erhielten, noch im Familienrecht galt der Gleichberechtigungsgrundsatz. Für Tätigkeiten, die über die Hausarbeit hinausgingen, brauchten Frauen die Erlaubnis des Ehemannes. So bestimmte es das Bürgerliche Gesetzbuch noch bis 1977. Das Frauenwahlrecht und die steigende Zahl weiblicher Mitglieder in Parteien und Gewerkschaften änderten nichts daran, dass führende Positionen der Politik weiterhin nur von Männern besetzt blieben. Belastete Friedensordnung: der Versailler Vertrag Während in Deutschland noch Reichswehr und Freikorps die revolutionären Unruhen niederschlugen, wurde am 18. Januar 1919 in Versailles bei Paris die Friedenskonferenz ohne Beteiligung der Besiegten eröffnet. Auf ihr sollte die Nachkriegsordnung in Europa festgelegt werden. Am 7. Mai 1919 wurde der deutschen Delegation der fertige Vertrag mit 440 Artikeln vorgelegt: Deutschland verlor im Westen, Osten und Norden des Reiches 13 Prozent des Staatsgebietes sowie rund zehn Prozent der Bevölkerung. Es musste alle seine Kolonien aufgeben und weitgehende militärische Beschränkungen akzeptieren. Ferner sollten für die Kriegsschäden der anderen Mächte Ausgleichszahlungen (Reparationen) in noch festzulegender Höhe erbracht werden. Von Anfang an belastete der von den Siegermächten nach Kriegsende geschlossene Friedensvertrag die Republik schwer. Seine Bestimmungen lös ten in der deutschen Öffentlichkeit, in der man auf einen milden „Wilson-Frieden“ gehofft hatte, Empörung und Proteststürme aus. Vor allem der Artikel 231 des Vertrages, der sogenannte Kriegsschuldartikel, wurde in Deutschland als moralische Ächtung des ganzen Volkes empfunden. Reichskanzler Scheidemann bezeichnete den Vertrag als unannehmbar. Als die deutschen Einsprüche erfolglos blieben, trat die Regierung Scheidemann zurück. Um das Ultimatum der Alliierten zu erfüllen, wurde die neue Regierung von der Nationalversammlung beauftragt, den Vertrag zu unterschreiben. Den Politikern, die sich unter dem Druck der Verhältnisse dazu bereit erklärt hatten, gestanden anfänglich alle Parteien ehrenhafte Motive zu. Doch schon bald wurde der Ver sailler Vertrag von der äußersten Rechten bis hin zur Sozialdemokratie wegen des Kriegsschuldartikels und der umfangreichen Reparationen als ein „Diktat“und „Schandfriede“ abgelehnt. Republikfeindliche Kräfte nutzten die Vorbehalte der Bevölkerung aus, um mit Kampfparolen wie „Heerlos! Wehrlos! Ehrlos!“ gegen die Republik zu hetzen und die „Erfüllungspolitiker“ zu beschimpfen. „Versailles“ wurde zur Diffamierungsparole schlechthin, die Republik für die Belastungen des Friedensvertrages verantwortlich gemacht. i Deutsche Gebietsund Bevölkerungsverluste nach dem Friedensvertrag von Versailles. p Arbeiten Sie die Ergebnisse des Vertrags heraus und diskutieren Sie, welche Festlegungen für die deutsche Bevölkerung besonders schwer zu akzeptieren waren. Nordschleswig an Dänemark Memelland (abgetreten 1919, 1923 an Litauen) Freie Stadt Danzig Posen und Westpreußen an Polen Oberschlesien an Polen Hultschiner Ländchen an Tschechoslowakei ElsassLothringen an Frankreich RUHRGEBIET Köln Koblenz Mainz Frankfurt Stuttgart München Weimar Berlin Hannover Bremen Hamburg Königsberg N o r d s e e Elbe Main Oder Donau Rhein Besetzte Gebiete Saargebiet 15 Jahre unter Völkerbundsverwaltung und franz. Besatzung Entmilitarisierte Zone Abgetretene Gebiete Abstimmungsgebiete Bevölkerungsverlust in 1000 0 300 km Eupen Malmedy an Belgien Essen O s t s e e166 60 141 89348 331 2938 1874 331 „Wilson-Frieden“: Der USamerikanische Präsident Woodrow Wilson hatte am 8. Januar 1918 einen „14-PunktePlan“ vorgelegt, in dem er seine Vorstellungen von den Grundlagen einer zukünftigen Friedensordnung in Europa formulierte. Diese sollte auf dem Selbstbestimmungsrecht der Völker und dem Autonomieund Nationalitätenprinzip basieren. 32015_1_1_2015_Kap3_352-385.indd 357 01.04.15 10:27 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt u d es C .C . B uc hn er V er la gs | |
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