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4093.3 Deutsches Selbstverständnis nach 1945 2. Erörtern Sie, welche Auswirkungen dies auf ihre Generation und deren Selbstverständnis hatte. M8 Antifaschismus als Herrschaftstechnik? Der Historiker Christoph Classen beschreibt, wie der Antifaschismus in der DDR eingesetzt worden ist: Dass „der Faschismus“ und sein vermeintliches Gegenteil, „der Antifaschismus“, oft in viel stärkerem Maße gegenwartsbezogene als historische Kategorien waren, zeigt schließlich der Fall eines Juden und Widerstandskämpfers, dem man – mangels Bereitschaft, Parteimitglied zu werden – den Status des Verfolgten des Naziregimes noch in den siebziger Jahren verweigerte. Als er diese Ungerechtigkeit monierte, erklärte man ihm mit entwaffnender Offenheit: „Es kommt nicht darauf an, was du damals gemacht hast, sondern was du heute machst.“ Deutlicher lässt sich der Sieg des Gegenwartshorizontes über die Vergangenheit schwerlich zum Ausdruck bringen. […] Es läge also nahe, auch das Faschismus-Paradigma in der DDR, das ja mit dem antifaschistischen Selbstverständnis untrennbar verbunden war, analog als vorwiegend taktisch motiviert zu beschreiben. Ohne Zweifel verschmolzen in dieser Kate gorie zeitweise nahezu alle gesellschaftlichen Widerstände zu einem „kompakten“ Feindbild, das eine Art Sündenbockfunktion für die anhaltenden Schwierigkeiten bei der Umsetzung des revolu tionär-utopischen Projekts eines sozialistischen Deutschlands bekam. Ob westliche Bündnis und Sicherheitspolitik, innerparteiliche Opposition, landesweiter Protest gegen die Zumutungen revolutionär-bürokratischer Umgestaltungspolitik wie im Jahr 1953 oder die bis zum Mauerbau anhaltende Fluchtbewegung: Stets sah man „Faschisten“ oder wenigstens ihre Verbündeten am Werk, stets schien die Apokalypse eines neuen, nun atomar geführten Weltkriegs nicht fern. Zugleich ließ sich gegen einen solchen Gegner angesichts der monströsen Verbrechen des Nationalsozialismus buchstäblich jedes Mittel rechtfertigen. Und doch verfehlt jede Interpretation, die […] den Antifaschismus allein oder in erster Linie als Herrschaftstechnik deutet, einen wesentlichen Aspekt des Phänomens. […] Der manichäische1 Charakter solcher Feindbilder stieß offenkundig keineswegs durchgängig auf Ablehnung. Nur so ist zu erklären – was zumeist gleichzeitig unterstellt wird –, dass der DDR-Antifaschismus als Herrschaftslegitimation vergleichsweise erfolgreich gewesen sei. Wenn es sich lediglich um durchschaubare propagandistische Manöver der politischen Elite gehandelt hätte, wie ist es dann möglich gewesen, eine breite und relativ dauerhafte gesellschaftliche Resonanz dafür zu fi nden? Christoph Classen, Feindbild Faschismus. Zum Doppelcharakter einer Gegnerkategorie in der frühen DDR, in: Silke Satjukow und Rainer Gries (Hrsg.), Unsere Feinde. Konstruktion des Anderen im Sozialismus, Leipzig 2004, S. 127 148, hier S. 129 f. 1. Analysieren Sie Funktion und Zielsetzung des von Classen beschriebenen „Antifaschismus-Paradigmas“. 2. Nehmen Sie Stellung zu Classens abschließender Frage. Ziehen Sie die Aussagen von Christa Wolf in M7 hinzu. 3. Der Politikwissenschaftler Peter Reichel fasst die DDRPolitik wie folgt zusammen: „So blieb die DDR fast bis zuletzt gefangen zwischen anti faschistischer Vergangenheitsverklärung, kommunistischer Zukunftsgewissheit und Schuld abwehr.“ 2 Erörtern Sie die Aussage auf der Grundlage von M8 und M9 sowie der Darstellung auf Seite 388 bis 397. i Tribüne zur geplanten Parade zum 25. Jahrestag des Mauerbaus in Ost-Berlin. Foto vom 12. August 1986. 1 Manichäismus: Religion der Spätantike und des frühen Mittelalters, die für die angestrebte Erlösung Askese und Reinheit verlangt; hier wohl eher: Schwarz-Weiß-Malerei. 2 Peter Reichel, Vergangenheitsbewältigung in Deutschland. Die Auseinandersetzung mit der NS-Diktatur in Politik und Justiz, München 22007, S. 15 5 10 15 20 25 30 35 40 32015_1_1_2015_Kap3_386-419.indd 409 01.04.15 10:31 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge tu m d es C .C . B uc hn er V er la gs | |
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