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57Anfänge und Verlauf der Reformation Die evangelische Lehre Obwohl er als Theologe rasch Karriere gemacht hatte, war Luther in seinem religiösen Empfi nden unsicher. Wie konnte er als sündhafter Mensch das Heil erlangen? Gute Werke schienen ihm nicht zu genügen, ebenso nicht ein entsagungsvolles Mönchsleben, letztlich auch nicht die Sakramente der Kirche. Luther suchte die Antwort in der Bibel, die er unablässig studierte. Die richtungweisende Aussage fand er schließ lich im ersten Römerbrief des Apostels Paulus: „Der aus dem Glauben Gerechte wird leben.“ Dies deutete Luther so, dass der Mensch nur durch den Glauben an Gott das Seelenheil erlangen könne, nicht durch fromme Werke. Der Mensch konnte mithin nicht aus eigener Kraft selig werden. Er musste auf die Gnade Gottes vertrauen. Luther formulierte seine Lehren seit 1518 in einer Serie von Druckschriften. Zwei Grundsätze waren dabei mit der römischen Kirche nicht mehr vereinbar: die ausschließliche Orientierung an der Bibel und das alleinige Vertrauen auf den Glauben. Evangelische Theologen fassten diese Grundsätze lateinisch in die Formeln sola scriptura („allein die Schrift“) und sola fi des („allein der Glaube“). Die Kirche vertrat die gegenteiligen Prinzipien. Neben der Bibel sollte die kirchliche Tradition gelten, und für das Seelenheil der Menschen blieben fromme Werke unverzichtbar. Luther beließ, weil er die kirchliche Tradition bestritt, von den sieben Sakramenten nur noch zwei: die Taufe und das Abendmahl, die er unmittelbar aus der Bibel begründen konnte. Das Abendmahl wurde den Gläubigen nun in Gestalt von Brot und Wein, nicht mehr allein in Gestalt des Brotes gereicht. Die neue Form machte die Lehre Luthers beliebt, ebenso der Gottesdienst in deutscher statt in lateinischer Sprache. Die größte Wirkung hatte Luthers Übersetzung des Evangeliums, die 1534 in einer Gesamtausgabe erschien. Das Werk wurde zum Bestseller und gab der Entstehung der deutschen Hochsprache einen entscheidenden Impuls. Als wegweisender Reformator fand Luther dennoch immer weniger Gehör, je weiter die evangelische Bewegung über ihre Anfänge hinauswuchs. Die evangelische Bewegung Die Reformation ist nicht denkbar ohne die Unzufriedenheit vieler Menschen mit der Kirche. Sie ist ebenso wenig denkbar ohne den Buchdruck. Allein von 1517 bis 1523 verfünffachte sich die Gesamtzahl aller Drucke – einzelne Flugblätter mit Bildern, Flugschriften mit wenigen Seiten, aber auch Bücher. Die anschwellende Papierfl ut informierte Gelehrte, Geistliche und Bürger vor allem über die neuen Glaubenslehren. Historiker sprechen von einer reformatorischen Öffentlichkeit, in der die evangelische Bewegung diskutiert und weitergetragen wurde. Als wichtige Multiplikatoren unter den Lutheranhängern wirkten Mönche, städtische Pfarrer und junge Gelehrte, die nicht nur aus den Drucken vorlasen, sondern in Predigten andere überzeugten. Deshalb fasste die evangelische Bewegung zuerst in den Städten Fuß, wo man las und die Drucke kaufen konnte, erst danach in den Dörfern. In den Städten wiederum nahm zuerst die mittlere Schicht der Handwerker die neuen Lehren auf, dann folgten i Die „Nürnberger Bibel“. Deutsche Bibel, gedruckt von Anton Koberger, 17. Februar 1483, Nürnberg. Vermutlich druckte der Nürnberger Unternehmer Anton Koberger die Bibel mit einer hohen Aufl age von ungefähr 1 000 Stück. Weltweit sind etwa 200 Exemplare erhalten geblieben. Sakramente (von lat. sacrare: weihen, heiligen): spezifi sche kirchliche Handlungen (Riten). Die römisch-katholische und die anglikanische Kirche sowie die orthodoxen Kirchen kennen sieben Sakramente: Taufe, Firmung, Abendmahl, Buße (Beichte), Krankensalbung („letzte Ölung“), Ordination (Weihe der Diakone, Priester und Bischöfe) und Ehe. In der evangelischen Kirche gibt es nur die Sakramente Taufe und Abendmahl. 32015_1_1_2015_Kap1_008-081.indd 57 01.04.15 10:57 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C . B uc hn er V er la gs | |
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