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Ohne Alternative? Die Finanzpolitik Brünings Die Finanzund Wirtschaftspolitik des Reichskanzlers Brüning von 1930 bis 1932 war durch strikte Sparmaßnahmen gekennzeichnet. Schon prominente Zeitgenossen kritisierten diese Politik und warfen Brüning vor, die ökonomische Depression zu verschärfen. Auch die Geschichtswissenschaft nach dem Zweiten Weltkrieg beurteilt die sogenannte „Defl ationspolitik“ Brünings nicht einheitlich. Die eine Seite betont die engen Gestaltungsund Handlungsspielräume von Politik gerade in Deutschland, die Brüning keine Alternativen gelassen hätten. Die andere Seite argumentiert, dass eine aktive Konjunkturpolitik mit Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen die hohe Arbeitslosigkeit hätten begrenzen und eine politische Radikalisierung zum Ende der Weimarer Republik hätte abwenden können. Gab es also keine Alternative zur Defl ationspolitik Brünings oder gelang es ihm einfach nicht, den zur Verfügung stehenden Handlungsspielraum richtig zu nutzen? M1 „Außenund innenpolitische Zwangslagen“ Der Münchener Wirtschaftshistoriker Knut Borchardt argumentiert in einem Beitrag über „Zwangslagen und Handlungsspielräume in der großen Weltwirtschaftskrise der frühen dreißiger Jahre“ von 1979 folgendermaßen: Mit der nationalen und internationalen Finanzkrise des Sommers 1931 setzte eine neue Phase der Weltwirtschaftskrise ein. […] Jetzt erst begann man verbreitet zu fürchten, dass diese Krise nicht aus sich heraus wieder zu einem Aufschwung führen würde. Und erst jetzt, erst im späten Frühjahr bzw. Sommer 1931, tauchten nach und nach aus den verschiedensten Ecken Pläne auf, dieser Krise durch eine aktive Politik zu begegnen […]. So wurde jetzt der Vorschlag gemacht, der Staat sollte, auch wenn er nicht über hinreichende laufende Einnahmen verfügte, eine größere Nachfrage entfalten und diese im Wege der zusätzlichen Verschuldung fi nanzieren. Damit liegt aber auch das Ergebnis für die erste Frage, für die Frage nach dem „Wann“ für den Einsatz neuer Instrumente der Krisenbekämpfung vor. Wenn wir von Regierungen nicht eine prophetische Gabe verlangen, insbesondere kein Wissen, das erst die Nachlebenden haben können […], dann konnte eine Änderung der konjunkturpolitischen Strategie nicht vor dem Sommer 1931 erwartet werden. Wenn man aber dieses akzeptiert, dann muss auch hingenommen werden, dass eine „rechtzeitige“ Gegensteuerung gegen den Abschwung schon zeitlich nicht mehr möglich gewesen ist. Denn im Sommer 1931 war es objektiv zu spät, um noch den Anstieg der Arbeitslosigkeit im Winter 1931/32 auf sechs Millionen Menschen zu verhindern. So schnell wirken wirtschaftspolitische Maßnahmen, selbst massiver Art, nie auf die konjunkturelle Bewegung. Allenfalls hätte der Tiefpunkt der Krise, der dann im Sommer 1932 erreicht worden ist, um einige Monate vorverlegt werden können, hätte der Aufschwung etwas früher und vielleicht auch etwas kräftiger einsetzen können. […] 5 10 15 20 25 30 o Arbeitslose Zuschauer beim Straßenbau vor dem Arbeitsamt, Hannover 1930. Foto von Walter Ballhause. Geschichte kontrovers Geschichte kontrovers 122 4677_1_1_2015_090-127_Kap3.indd 122 17.07.15 11:42 Nu r u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C .B uc hn er V er la gs | |
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