1.Erläutern Sie die Funktion der Erklärung für den Zerfall des Römischen Reiches, die Fontana referiert, für die Gegenwart. Sind die „Geschichtswissenschaftler“ bei dieser Erklärung nicht mehr „objektiv“?
Bis heute wird der Niedergang und Zerfall des Römischen Reiches häufig als Ergebnis eines schließlich überlegenen Ansturms von außen auf die Grenzen des Reiches verstanden. Rom wurde dieser Interpretation zufolge also von Barbaren überrannt, die hochentwickelte Zivilisation im römischen Imperium zerstört. Verantwortlich gemacht werden mithin Kräfte und Mächte von außen; Schwächen, Versäumnisse, mangelnde Reformfähigkeit und Veränderungswille im Innern spielen demgegenüber keine oder keine große Rolle.
Fontana kritisiert mit diesem Rückgriff auf die Ereignisse um den „Untergang“ Roms, dass Intellektuelle (gemeint sind wohl Historiker) und Politiker die Mär vom „Barbarensturm“ heute gleichsam als Metapher verwenden, um Wanderungsbewegungen der Neuzeit (Flüchtlingsströme, Migranten usw.) zu dramatisieren und zu instrumentalisieren. Nicht der Ansturm von außen, sondern die damals auch schon in Rom problematischen Verhältnisse im Innern (ungleiche Vermögensverteilung, Beschneidung der persönlichen Freiheit, Bevorzugung der Privatinteressen auf Kosten der Allgemeinheit usw.), bringen auch heute noch Staaten und Gesellschaften ins Wanken – dies zuzugeben oder sich zu bemühen, etwas an den Verhältnissen zu ändern, sei jedoch weitaus schwieriger als einfach die – bequeme – Erzählung einer Bedrohung von außen zu formulieren. Ohne die „Barbaren“ fehlt den Intellektuellen eine Begründung für den Untergang Roms, weil sie es versäumen, auch auf die politische Praxis im Innern des Imperiums zu schauen – gleichsam käme Politikern (aus dem rechtspopulistischen Lager) und ganzen Parteien heute die Hälfte ihres Parteiprogramms abhanden, fiele der Flüchtlingsstrom nach Europa (aus Afrika und dem Nahen Osten) von heute auf morgen aus (man denke dabei nur an den „Front National“ in Frankreich, die FPÖ in Österreich oder UKIP, United Kingdom Independence Party, in Großbritannien).
„Objektiv“ ist Geschichtswissenschaft ohnehin nie, sie blickt auf die Vergangenheit aus der Position der Gegenwart und ist nie frei von aktuellen Vorstellungen und Sichtweisen, die sie auf die Vergangenheit überträgt.
2.Beurteilen Sie Fontanas Behauptung, dass die Gründe für den Untergang Roms „unbequeme Vergleiche mit anderen Situationen unserer Gegenwart“ aufwerfen.
Fontana versteht den Untergang Roms primär als Ergebnis eines gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Zerfalls des Imperiums, dessen Eliten sich nicht mehr als politisch potent, vielmehr als reformunfähig und reformunwillig erwiesen haben. Die Bezüge zur Gegenwart sollen deutlich werden lassen, dass die häufige Betonung von äußeren Zwängen und Bedrohungen ablenkt von inneren Schwächen und dem Unwillen, sich mit den Problemen des eigenen politischen und gesellschaftlichen Systems auseinanderzusetzen und Veränderungen anzustoßen.
3.Setzen Sie sich kritisch mit der hier skizzierten politischen Rolle der „Anderen“, der „Fremden“ auseinander.
„Der Andere“, „der Fremde“ wird häufig als Gefahr, als Bedrohung wahrgenommen, das ist auch ein Resultat einer häufig anzutreffenden politischen Instrumentalisierung: Im Sinne eines „Sündenbocks“ werden „Andere“ verantwortlich gemacht für Ereignisse und Schwierigkeiten, die Ergebnis eigener Schwäche und eigenen Fehlverhaltens sind.
4.Vergleichen Sie mit Bildern, die heute in unterschiedlichen Medien von „Fremden“ (z.B. Migranten aus Südosteuropa) gezeichnet werden. Erstellen Sie dazu eine PowerPoint-Präsentation.
Abhängig von der Bearbeitung durch die Schülerinnen und Schüler.
Elemente könnten sein: Bedrohung durch Fremde, die als amorphe, anonyme „Masse“ auftreten, deren einziges Ziel zu sein scheint, ihren Vorteil zu finden. Ängste werden erzeugt, weil „das Eigene“ gefährdet zu sein scheint, die eigene Lebenswelt, der eigene Wohlstand, kulturelle Leistungen und zivilisatorische Ansprüche. Nur restriktive Maßnahmen zur Sicherung „des Eigenen“ scheinen einen Ausweg zu bieten.