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1.1.4 Geschichte kontrovers: Die „Völkerwanderung“ - ein Mythos?

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M1 Die „Stürme der Völkerwanderung“ und das Römische Reich

und

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M2 „Volksgruppen“ oder „Militärverbände“: Wer wanderte?

1.Erstellen Sie eine tabellarische Übersicht der Unterschiede und Gemeinsamkeiten, die in der Darstellung der Historiker deutlich werden. Welche Erklärung gibt es für die unterschiedlichen Bewertungen?
Bringmann
Fehr / Rummel
spricht von Völkerwanderung
 distanzieren sich vom Begriff „Völkerwanderung“
Völkerwanderung als Wanderung von großen Stammesverbänden über große Distanzen
keine Wanderung von ganzen Bevölkerungen, stattdessen Züge großer Heere
Untergang Roms ist Ergebnis des Ansturms der „Barbaren“
Barbaren werden auf dem Reichsgebiet aufgenommen, sie werden Teil des Reiches
Rom ist militärisch und politisch stark, aber nicht stark genug, um die verschiedenen Barbarenvölker abzuwehren, die die Grenzen des Reiches erreichen
Aufnahme von Barbaren ist eine politische Strategie, die das Überleben des Reiches ermöglicht
Rom ist nicht Ziel wegen des Wohlstandsgefälles, sondern weil die Barbaren von den Hunnen getrieben werden
Rom hat eine hohe Anziehungskraft auf die Barbaren, sie streben nach einer Aufnahme in den Reichsverband, der Schutz bietet; sie passen sich an und agieren innerhalb des Reiches
2.Fehr und Rummel sprechen im Blick auf einige angebliche „Völkerwanderungen“ von „legendenhaften Herkunftserzählungen“. Setzen Sie sich daher kritisch mit diesem Begriff auseinander. Sind Ihnen andere „legendenhafte Herkunftserzählungen“ bekannt? Welche Bedeutung haben sie?
Die „legendenhaften Herkunftserzählungen“ verweisen auf Vorstellungen, die vor allem deshalb tradiert wurden, um relativ heterogenen Gruppen eine einheitliche Geschichte zu geben und damit Zugehörigkeit und Zusammengehörigkeit zu konstruieren. Insbesondere für die Legitimation von Herrschaft über solche heterogenen Bevölkerungen hat die Konstruktion und Tradierung von mythischen Herkunftserzählungen einen hohen Stellenwert. Andere legendenhaften Herkunftserzählungen verweisen beispielsweise bis in die Neuzeit auf die göttliche Herkunft oder auf das „Gottesgnadentum“ von Herrschern. Auch hier wird Herrschaft legitimiert.
3.Vergleichen Sie die in den Texten vorgestellten Thesen zur „Völkerwanderung“ mit dem Germanenbild, das in der Zeichnung von Heinrich Leutemann aus den 1870er-Jahren auf S. 15 zum Ausdruck kommt.
Die Zeichnung Leutemanns verweist auf ein Bild der „Völkerwanderung“, das sich auf die Eroberung Roms durch Barbaren bezieht, die den römischen Kunstschätzen und der römischen Lebensart völlig fremd gegenüberstehen. Sie streben danach, Beute zu machen und möglichst viele Kunstschätze mitzunehmen oder zu zerstören.
Fehr und Rummel verweisen demgegenüber auf den hohen Grad der Romanisierung der Germanen und ihre Vertrautheit mit der römischen Kultur. Die Eroberung Roms wäre für sie als ein innerrömischer Machtkampf kein Ergebnis eines Barbarensturms von außen.

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Karte: „Völkerwanderung“ und Reichsgründungen (3.-6. Jh.).

 Beschreiben Sie die „Völkerwanderung“ auf der Karte. Berücksichtigen Sie dabei die Aussagen in M2.
Die Karte lässt die Bewegungen von Germanen und deren Ansiedlung innerhalb insbesondere des Weströmischen Reiches deutlich werden. Darüber hinaus zeigt sie, dass es mit dem Ende des Weströmischen Reiches zur Gründung von germanischen Reichen kam.
Die Darstellung widerspricht weithin nicht der Darstellung in M2, weil auf die Motive der Bewegungen gar nicht eingegangen wird. Die Benennung und Veranschaulichung geschlossener größerer Ansiedlungs- und Herrschaftsgebiete würden Fehr und Rummel jedoch kritisieren, weil damit der Eindruck erweckt wird, große Bevölkerungen hätten als einheitliche Stämme Territorien erobert sowie geschlossen besiedelt und damit das Römische Reich zerstört.
Karol Modzelewski, Das barbarische Europa. Zur sozialen Ordnung von Germanen und Slawen im frühen Mittelalter, Osnabrück 2011
Klaus Rosen, Die Völkerwanderung, 4., durchgesehene Auflage, München 2009